3. Forschungsdiskussion: Sprachgeschichtsschreibung aus der Mono-Perspektive des »occhio bembizzato« und aus einer kommunikationsraumbasierten Perspektive

3.1 Der Buchdruck in der italienischen Sprachgeschichtsschreibung – mehr als Standardisierungsfaktor und Kodifikationsort

Im Vergleich zu integralen medien- und buchhistorischen Werken, welche von Anbeginn auf die Wechselwirkung der neuen Drucktechnologie mit Sprache aufmerksam machten, erteilt die italienische Sprachgeschichtsschreibung nur unwesentlich neue Auskünfte.1 Unisono wird von Medien- und Buchhistorikern behauptet, dass die Druckpresse zwangsläufig zur Ablösung des Lateinischen durch die Vernakularsprachen und zur Standardisierung der Einzelsprachen geführt habe.2

3.1.1 Traditionelle Forschungsperspektiven

Aus einer teleologischen Perspektive heraus verstehen auch italienische Sprachhistoriker die Erfindung des Buchdrucks mindestens als potenzierenden Effekt der Kodifizierung des Toskanischen, wenn nicht sogar als Auslöser der Normdiskussion in Italien.3 So maß bereits Migliorini, der Pionier der italienischen Sprachgeschichtsschreibung, dem Druck in volgare, vornehmlich der Tre Corone, höchste Bedeutung zu und skizzierte die wesentlichen Veränderungen der ab dem Ende des 15. Jahrhunderts einsetzenden »influenza coagulatrice della stampa« (Migliorini 1960, 281) wie die Unterschiede zur Manuskripttradition, das erheblich erweiterte Lesepublikum oder die Schlüsselrolle des Korrektors, die der typografische Formalismus hervorrufe und durch welche grammatikalische und lexikalische Stabilität und Einheitlichkeit ungefähr im Jahr 1550 erreicht gewesen seien.4 Für weitere Forschungen gibt er entscheidende Anregungen:

Bibliofili e bibliografi sono giunti a una buona conoscenza dell’attività dei vari centri librari nell’età degli incunaboli; mancano invece ricerche le quali mostrino in quale misura le singole stamperie abbiano avuto preoccupazioni linguistiche e come abbiano proceduto al riguardo. (Migliorini 1960, 251f., Anm. 1)

Die nachfolgenden italianistischen Sprachhistoriker (und Literaturhistoriker)5 beleuchten nur sehr oberflächlich, das heißt mit dem eingangs erwähnten konditionierten Blick des »occhio bembizzato« (Quondam 1983, 657) die Bedeutung des Buchdrucks und begrenzen bis heute bewusst6 die Gutenberg-Galaxis auf einzelne, besonders hell erstrahlende ›Sterne‹, das heißt volgare-Drucke (vgl. Kap. 1)7: Insbesondere die frühen Wiegendrucke der Tre Corone, die editio princeps der volkssprachlichen Bibel, die sukzessive toskanisierten revisioni nicht-toskanischer Autoren und die berühmten Aldine wurden so annalistisch fixiert.8

Zwar kommt Trifone das Verdienst zu, zumindest »il sommario di quel libro ideale sui rapporti tra la stampa e la lingua nel Cinquecento« darzubieten, »che rimane ancora in gran parte da scrivere« (Trifone 1993, 426), aber auch er bewertet die sprachhistorische Relevanz des Buchdrucks mit den Parametern der questione della lingua. Im Rückgriff auf Eisenstein (1979) konstatiert er eine durch die schwarze Kunst ausgelöste »rivoluzione linguistica inavvertita« (Trifone 1993, 426).9 Er bestimmt den Buchdruck als »neuen Kodifikationsort« der Schriftlichkeit10 und als Phänomenologie eines dynamischen, weil aus verschiedenen für den Druck verantwortlichen Personen unterschiedlicher Herkunft bestehenden »Diasystems« (Trifone 1993, 429–431).11 Das Toskanische klassifiziert er gleichzeitig als Fachsprache (des Druckwesens) und abstrakte Literatursprache12 – der fundamentale Hinweis darauf, dass dieses Idiom »lingua elettiva e non esclusiva« sei, »perché nella stampa di carattere meno letterario o più popolare può incontrarsi […] una certa quota di forme regionali, in concorrenza con forme toscane« (Ders. 1993, 433, Anm. 1), wird bezeichnenderweise in die Fußnote verlegt. Für die populäreren und lokalen Druckerzeugnisse könne auch nicht die sonst übliche Achse Venedig–Florenz geltend gemacht werden, »si registra invece un notevole policentrismo tipografico e un relativo policentrismo linguistico« (Ders. 1993, 440). Tatsächlich sind vier der fünf Druckzentren, die Italien im Gegensatz zum Beispiel zum monozentrischen Frankreich vorweisen kann, »territorio non toscano« (Fahy 1988, 56) wie Fahy betont. Gerade diese ›bescheideneren‹ Druckerzeugnisse wie Akzidenzen13, Almanache, Kalender, stampe popolari, Schullektüre14 sowie Vorformen massenmedialen Publizierens wie Flugblätter, Einblattdrucke, usw., kurz: »la parte più cospicua, e più lontana dal modello a stampa« (Serianni 2002, 506) werden sowohl in der italienischen Typografie- als auch Sprachgeschichte stark vernachlässigt, obwohl gerade sie den Großteil der Produktion ausmachten, eine weiter ansteigende Lesefähigkeit bewirkten (Rautenberg 2003, 331) und einen Gegenentwurf zum »uso regolare (bembesco)« (Mazzacurati 1980, zit. nach Belloni/Drusi 2007, 322) bieten könnten.

3.1.2 Zeitgenössische Perspektiven

Höchst paradox erscheint, wie das zumeist empiriefreie, wissenschaftlich-deskriptive Erkenntnisinteresse am Konnex von Buchdruck und Sprachdebatte und die zeitgenössische Wertung des Buchdrucks in Italien, vor allem durch die in den Druckprozess involvierten Protagonisten, in dieser Hinsicht auseinanderklaffen, da

[…] in den klassischen Texten zur questione della lingua – etwa im Vergleich zu den entsprechenden französischen Texten – der Buchdruck kaum thematisiert wird […]. Die Abhängigkeit von der Sprachen-Frage vom neuen Medium ist in Frankreich viel deutlicher, wo die Drucker selbst sich ganz entscheidend an der entsprechenden Diskussion um die Normierung der Sprache beteiligen (z.B. Tory, Robert Estienne, Meigret, Henri Estienne). (Trabant 2001, 37f.)

Bembo selbst, der entscheidend an der ersten Interpunktion der Aldine beteiligt ist15 und ein gutes Netzwerk innerhalb der Buchbranche vorweisen kann, sowie andere zeitgenössische Sprachtheoretiker stehen in der Tat dem in der sprachgeschichtlichen Retrospektive stärksten Motor für sprachliche Einigungsbemühungen indifferent gegenüber – in ihren Schriften ist er keine Erwähnung wert und offensichtlich auch nicht lohnender Gegenstand einer näheren Beschäftigung. Generell bewegen sich die Einstellungen zur ars artificialiter scribendi zwischen Fluch und Segen.16 Sprachliche Bezüge bleiben in den ernstgemeinten und karikierenden Reflexionen über das neue Fachpersonal wie Drucker, Korrektoren17 oder Buchverkäufer18, über die daraus hervorgehenden (sprachlichen) Diskursnormen und -traditionen19 und neue paratextuelle Bausteine wie die Widmung20 ausgeklammert. Quasi ausgeblendet sind sprachliche Bezugnahmen des Weiteren in den spärlich gesäten zeitgenössischen Leitfäden zum Buchdruck.21 Auch offizielle Sprachregelungen, die vor allem aus der internationalen Druckkapitale Venedig zu erwarten wären, da sie unter allen anderen Ländern die ältesten und vollständigsten Rechtsnormen zum Druck vorweisen kann (vgl. Brown 1891), sind inexistent: Die 1548/49 gegründete Scuola dei stampadori e librarii veneti22 setzte in diesem Zusammenhang keine Auflagen fest. Erst aus der Aufnahmeprüfungsordnung aus dem Jahr 1767 geht hervor, dass bestimmte Sprachkenntnisse Voraussetzung für den Beitritt zu dieser Gilde waren:

Esami da farsi a quelli che concorrono alla Matricolazione. […] Saranno [i candidati; T.A.] obbligati a saper ben leggere e scrivere la lingua Italiana, e d’avere quella cognizione della lingua Latina e Francese, che sia sufficiente. (Zit. nach Brown 1891, 301)

Frühere Dokumente belegen die verpflichtenden sprachlichen Vorkenntnisse bemerkenswerterweise nicht (vgl. Brown 1891, 249–393).

3.1.3 Neue Forschungsperspektiven

Am Ende des Forschungsüberblicks kommt man zu dem Resultat, dass die Betonung des Buchdrucks als entscheidender Faktor der Sprachstandardisierung in der italienischen Sprachgeschichtsschreibung in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu konkreten linguistischen Befunden steht. Generell gibt es (zu) wenige rein sprachwissenschaftliche Monografien und Studien zum Untersuchungsgegenstand Buchdruck und kaum solche, die den literarisch zentrierten Themenkreis verlassen, die nach der Sprachendebatte im Cinquecento angesiedelt sind und die metasprachliche Indizien und Urteile der zeitgenössischen Sprecher integrieren. Im Fokus stehen, sicherlich auch der Überlieferungssituation und -tradition der italienischen Druckwerke geschuldet, zumeist folgende Themen: das erste Jahrhundert nach Einführung der schwarzen Kunst (also 1465 bis circa 1550),23 die (literatur-)sprachliche Dichotomie Latein vs. volgare, die Verbreitung des toskanischen Standards bzw. der grammatikalischen Norm24 (in literarischen Werken durch literarisch versierte Kuratoren/Humanisten oder durch Grammatiken und Wörterbücher) und das Druckzentrum Venedig bzw. die Achse Venedig–Florenz – zum Ausdruck gebracht in der Formel »lingua toscana in libro veneziano« (Petrucci 1978, 1267). Hierin erschöpft sich aber bei weitem nicht die Einflussnahme des Buchdrucks auf die sprachliche Situation im Italien des Cinquecento und der folgenden Jahrhunderte. Ein ganzes Bündel von Forschungslücken bzw. -desiderata lässt sich meines Erachtens zusammentragen:

1)  Die Beziehung der Druck- zur Manuskript-Tradition ist bisher kaum ein linguistisches Untersuchungsfeld (vgl. Petrucci 1988; Bartoli Langeli/Infelise 1992).

2)  Die mit dem Buchdruck einhergehende Entwicklung der Pressesprache, die im 17. Jahrhundert in Italien einsetzte,25 wurde bisher kaum sprachhistorisch nachgezeichnet.26

3)  Die im Quattro- und Cinquecento in ganz Italien erschienenen (volkssprachlichen, zweisprachigen oder gemischtsprachigen) städtischen oder regionalen Statuten (oder deren Übersetzungen aus dem Lateinischen), die nicht selten ein wichtiges Gründungsmotiv von Offizinen waren,27 sind als Diskurstradition der Rechtssammlung sicherlich eine eigene linguistische Untersuchung wert.28 Hier lassen sich eventuell (bewusste) Abweichungen vom generell konstatierten »filone di precoce toscanismo linguistico« (Trovato 2006, 1275) feststellen.29

4)  Die Sprachverteilung und Sprachverwendung in der nicht-literarischen30, etwa religiösen (vgl. Trovato 1990), offiziellen, wissenschaftlich-technischen31 oder pragmatischen gedruckten Schriftlichkeit wären eine eigene analytische Betrachtung wert. Mit der sprachlichen Analyse der populären (religiösen) Lesestoffe könnte ebenso der rekonstruierte Standardisierungsprozess der italienischen Sprache neu perspektiviert oder relativiert werden.

5)  Auch die Verengung der Perspektive auf die kleineren Druckorte wäre erhellend: Wie korreliert die lokale Buchproduktion mit der Sprachenwahl, wie mit den verschiedenen Diskursdomänen?32

6)  Denkbar ist auch eine stärkere Berücksichtigung des Buchdrucks im zeitgenössischen, metasprachlichen Diskurs, das heißt die Fragestellung, mit welcher Intensität und mit welchen Argumenten zum Beispiel die Sprachwahl des Druckes, sprachliche Probleme während des Druckprozesses etc. im »Geflecht von Paratexten« (Müller 2004, 58)33, vom Widmungsbrief34 über die Autorenvorrede bzw. den Leserhinweis bis hin zum Erratum, in dem typografische Fehler und/oder Gebrauchs- und Aussprachefehler aufgelistet waren, bewertet werden.35 Aussagen über die Druckmotive und Sprachbewertungen gerade aus der Protozeit des Buchdrucks wurden in der bisherigen Forschung viel zu wenig einbezogen und würden sich als Gegenentwürfe oder als Ergänzungen zum literatursprachlichen Basisbefund der Normanpassung als fruchtbar erweisen.

7)  Ebenso von wissenschaftlichem Erkenntniswert wären natürlich die Bestandsaufnahme und die linguistische Analyse der in anderen Sprachen gedruckten Bücher und Publikationen jenseits von Latein, Griechisch und volgare (im Singular, sic), nämlich die nord-, mittel- und süditalienischen Idiome, aber auch Hebräisch36, die orientalischen Sprachen, Deutsch, Französisch oder Spanisch genauso wie die zwei- und mehrsprachigen Druckwerke und Übersetzungen aus oder in diese Sprachen.

Gerade die spanische Sprache bzw. die italienische Buchproduktion auf Spanisch sind von Relevanz, in Anbetracht der Tatsache, dass mehrere Territorien der italienischen Halbinsel zwei Jahrhunderte lang Teil der spanischen Krone waren, wie in Kap. 2.1 skizziert wurde.

3.2 Der italienisch-spanische Sprachkontakt in der italienischen Sprachgeschichtsschreibung – mehr als lexikalische Einflussnahme

3.2.1 Forschungsstand

Sucht man in den im vorherigen Kapitel konsultierten italienischen Sprachgeschichten nach einem weiteren Stichwort im Index wie Spanisch, Spanien oder etwa Königreich Neapel, so werden, ähnlich wie beim Thema Buchdruck, die Erwartungen nicht erfüllt.37 Entweder wird dieses Kapitel der italienischen (Sprach-)Geschichte überhaupt nicht berücksichtigt38 oder der Blick ist starr auf die lexikalischen Einflüsse gerichtet. Immerhin ist – erneut im bestimmenden Panoramawerk von Migliorini – über das Cinquecento zu erfahren:

La lingua straniera di gran lunga predominante nell’Italia cinquecentesca è lo spagnolo, per l’intensa simbiosi stabilita tra dominanti e dominati. Il Galateo, il Bembo, il Castiglione, il Valdès alludono alle conoscenze che gli Italiani avevano o affettavano dello spagnuolo […]. Numerose opere spagnuole, buone e cattive, furono tradotte in italiano per lo più da mestieranti, e contribuirono a far conoscere le cose spagnole – e a divulgare ispanismi. Personaggi spagnoli o spagnoleggianti appaiono non di rado nelle commedie. (Migliorini 1960, 329)

Spanien und Spanisch dominieren – im wörtlichen Sinne zu verstehen – auch das 17. Jahrhundert:

La lingua straniera di gran lunga più nota in Italia nella prima metà del secolo era quella dei dominatori, la spagnola, e sappiamo di autori italiani che scrissero in spagnolo (per es. Pier Salvetti), di compagnie teatrali che recitavano a Napoli in spagnolo, ecc. […]. […] in Sardegna la vita culturale si svolgeva quasi esclusivamente in spagnolo. (Migliorini 1960, 460, Anm. 1)

Zudem begrenzt Migliorini den fremdsprachlichen Einfluss auf den temporären ›Import‹ von zahlreichen Hispanismen, besonders im Lombardischen und im Neapolitanischen (vgl. Ders. 1960, 493).

Das Spanische im literarischen Bereich, in der Komödie und die spanischen (ephemeren) Reflexe im italienischen Wortschatz waren bereits die Schwerpunkte vorausgehender Sprachforscher zum »ispanismo« in Italien39 – und blieben es im Grunde bis heute.40 Als »iniziatore a pieno titolo degli studi ispanistici in Italia, e di grande ispanista tout court« (Segre 1992, 107) gilt Benedetto Croce, der sich mit der Geschichte des Königreichs Neapel und Süditaliens, den literarischen Beziehungen zwischen Italien und Spanien und mit dem spanischen Theater in Italien, hauptsächlich in Neapel, sehr früh und intensiv auseinandergesetzt hat (vgl. auch Kap. 6.4.1).41 Seine befreundeten Kollegen Eugenio Mele (1914) und Arturo Farinelli (1929) und seine Tochter Alda Croce (1948) leisteten wichtige Folgearbeit zu diesem literarisch-künstlerischen Aspekt des Sprachkontakts, den Meregalli schließlich nochmals vertieft komparatistisch behandelte (Meregalli 1971; Ders. 1974).42

Ein zweites großes Interessensgebiet der Forschung stellen, wie bereits erwähnt, die spanischen Einflüsse lexikalischer Art dar – im Lexikon sind kontaktlinguistische Erscheinungen in der Regel am deutlichsten sicht- und analysierbar, auch wenn Mehrsprachigkeit auf allen anderen Ebenen des Systems abzuleiten ist.43 Ein erstes Inventar an Hispanismen inklusive Lusismen stellte Zaccaria (1927) zusammen. Die bis heute fundierteste Untersuchung liegt diesbezüglich von Beccaria (1968) vor,44 der den Sprachkontakt nicht als simples Übergangsphänomen verstanden wissen will und stattdessen das Verhältnis von Geber- und Nehmersprache betont: »Alla rappresentazione schematica, graficamente rappresentabile con spagnolo → italiano, va sostituita molto spesso spagnolo ≥ italiano (quando non spagnolo italiano)« (Beccaria 1968, 17).45 Auch Serianni reduziert in seiner sprachhistorischen Synthese die – erfreulicherweise überhaupt behandelte – Wechselbeziehung des Italienischen mit dem Spanischen vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert auf den sprachinternen Kontaktfaktor der Lexik, wobei er Spanisch nur als Quellsprache betrachtet (Serianni 2002).46

Darüber hinaus wurden die zweisprachigen, das heißt italienisch-spanischen Wörterbücher (und deren Vorformen) und Grammatiken, die im Klima der aufkommenden rinascimentalen questione della lingua in Italien publiziert wurden und sich zum Teil als in heutiger Terminologie ausgedrückt auflagenstarke Best- und Longseller erweisen sollten47, in zahlreichen Beiträgen einer detaillierten und teils kontrastiven, teils fremdsprachendidaktischen Analyse unterzogen.48 Dadurch hat sich folgendes, fast schon ›klassisches Korpus‹ der hispanistisch-italianistischen Lexikografie und Grammatikografie für diesen Zeitabschnitt etabliert (vgl. Tabelle 2).

Zwar ist die bedeutende Rolle dieser Sprachlehrwerke, vor allem der Osservationi della lingua castigliana (1566) von Giovanni Miranda, im europäischen Spanischunterricht im 16. und 17. Jahrhundert unbestritten.49 Die Zweck -und Benutzerhypothesen werden in der sprach-, gerne aber auch literaturwissenschaftlichen Forschungsliteratur jedoch mitunter sehr pauschal angeführt, das heißt hinsichtlich der Notwendigkeit von Fremdsprachenkompetenz in beide Richtungen als automatische Folge des Sprachkontakts gedeutet (vgl. zum Beispiel Lefèvre 2005, 53). Gleichzeitig werden sie gewissermaßen als Vorzeigeobjekte der starken Einflussnahme der spanischen Sprache auf das italienische Druckwesen herausgestellt (vgl. zum Beispiel Serianni 2002, 613f.; Gruber 2014, 269 und 271).

Tabelle 2: Zweisprachige italienisch-spanische Lexikografie und Grammatikografie im Cinque- und Seicento.

Tabelle 2: Zweisprachige italienisch-spanische Lexikografie und Grammatikografie im Cinque- und Seicento.

Außer Literatur, darstellender Kunst, Lexik, Grammatik- und Wörterbuchschreibung und Sprachtheorie50 werden andere entscheidende sprachexterne und -interne Faktoren, welche Sprachkontakt bedingen,51 in der Forschungsliteratur zur Italia spagnola ausgeblendet.

3.2.2 Zum Potenzial mehrsprachiger Kommunikationsräume

Parallel zum letzten Kapitel, in dem deutlich wurde, dass die mäßige Beschäftigung mit dem Buchdruck als Faktor der externen Sprachgeschichte immer als Gradmesser für die Toskanisierung verstanden wird, ist auch der eben vorgestellte Forschungsstand Resultat einer »retro-proyección ex-post« bzw. einer ideologiebehafteten »teleología invertida« (Oesterreicher 2004, 241; siehe auch Ders. 2007, 74–77) der traditionellen, das heißt einseitigen italienischen Sprachgeschichtsschreibung.52 Auch hier verhindert die starke Fokussierung auf die questione della lingua – laut Oesterreicher »un verdadero bloqueo epistémico« (Oesterreicher 2004, 239) – jede kritische Perspektivierung, im Besonderen die ausbauprozessuale, die diskurstraditionelle und die kontakt- bzw. mehrsprachige Perspektive. Dabei stellt Mehrsprachigkeit, wie bereits im Eingangskapitel betont wurde, keinen Sonderfall dar, sondern den pränationalen Normalfall im Italien der frühen Neuzeit, seinerseits eingebettet in ein mindestens siebzigsprachiges Europa.53 Neben der gegebenen territorialen Mehrsprachigkeit ist im (früh-)neuzeitlichen Italien von einer humanistisch-literarischen Mehrsprachigkeit auszugehen, aus der die questione della lingua selbst erwächst. Maaß konkretisiert: »Die in den unterschiedlichen Nationalphilologien untersuchten volks- bzw. gemeinschaftlichen Literaturen entstanden in einem mehrsprachigen Kontext, auf den sie intertextuell verweisen« (Maaß 2005, 20) und exemplifiziert diese These am autoritativen Text schlechthin, Bembos Prose, indem sie das dahinterstehende Mehrsprachigkeitsideal aufdeckt (vgl. Maaß 2002 und Kap. 1, Anm. 7).

Methodologisch setzt sich Oesterreicher, in Abkehr vom gängigen metonymischen Raumkonzept, »durch das […] kontrafaktisch, also gegen die historische Realität, eine in dieser Form inexistente italienische Sprachgemeinschaft imaginiert wird« (Oesterreicher 2007, 76), für eine Um- bzw. Neuorientierung der italienischen Sprachgeschichte, genauer: für eine Sprachgeschichte von kommunikativen Räumen ein.54 Daneben schlägt auch Krefeld vor, sich vom Diktat der nationalen Perspektivierung der Sprachgeschichte zu lösen (Krefeld 2004a, 135–146),55 um »[…] auch die frühere[n] kommunikationsräumliche[n] Konstellationen, zum Beispiel das Königreich beider Sizilien, die Republik Venedig, das Königreich Savoyen, das österreichische Oberitalien (Lombardei und Veneto) usw., und nicht zuletzt ihre Verflechtung untereinander systematisch« (Ders. 2004a, 140) aufzuarbeiten.56

Entscheidend für das historische Verständnis ist es jedoch, das Mit- und sozusagen Durcheinander der Sprachen in der Kompetenz der Sprecher und in ihrem Sprechen als normal und selbstverständlich anzuerkennen: Hier ist natürlich Präzision gefordert. Einerseits muss der Grad an mehrsprachiger Dynamik im jeweiligen Zeitraum bestimmt werden, denn es sind ja Phasen mit massiver, in der Regel migrationsbedingter Zunahme mehrsprachiger Sprecher und solche ihrer unter Umständen drastischen Abnahme zu unterscheiden. Andererseits darf man nicht verkennen, dass die Mehrsprachigkeit auch Kontinuität über viele Generationen entwickeln kann und dann als charakteristisch für eine bestimmte Region, d.h. gewissermaßen als autochthon betrachtet werden muss. (Krefeld 2004a, 144f.)

Während in der Synchronie die Möglichkeit besteht, den genannten »Grad an mehrsprachiger Dynamik« qua Sprecherbefragungen und auf Basis von amtlicher Demografie zu ermitteln, ergeben sich hier meines Erachtens für den Sprachhistoriker Hindernisse:57 Bar jeden Tonmaterials ist er zwangsläufig auf schriftliche, unter Umständen auch das »Sprechen« bezeugende Dokumente des Untersuchungszeitraums angewiesen, die erstens systematisch archiviert, zweitens korrekt registriert58 und/oder drittens sogar ediert59 – im Idealfall – digitalisiert sein sollten (vgl. Kap 7, Anm. 5). Gerade für Varietäten, die dem flüchtigeren Nähebereich vorbehalten waren, muss man davon ausgehen, dass sich die Quellenlage aber als lückenhaft erweist (vgl. Koch 2003, 106–113). Ferner muss der Diachronist auf das Vorhandensein einer repräsentativen Bevölkerungs- und Sozialgeschichte, welche die aggregative und die analytische Methode anwendet, vertrauen können – was sich gerade vor dem 18. Jahrhundert als schwierig gestaltet.60 Problematisch dürfte sich hierbei insbesondere die historische Erfassung der Fluktuation in der migrantischen Bevölkerung, das heißt der räumlichen Sprechermobilität, gestalten, die unter Umständen großen Interpretationsspielraum zulässt. Das Missverhältnis zwischen minimalen Befunden aufgrund von mangelndem Datenmaterial und maximaler Deutung darf nicht zu groß werden.

Unter Mehrdimensionalität als zu Grunde liegendem Paradigma einer erweiterten Sprachgeschichtsschreibung kann aber nicht nur die, wie geschildert, veränderte Betrachtungsweise des (kommunikativen) Raums und der Zeit, sondern auch die Verlagerung bzw. Ausdehnung des Quellenfundaments verstanden werden – weg von den konventionellen »›great texts‹ of the past« hin zu den bisher vernachlässigten, scheinbar marginalen »›minor‹ productions« (Swiggers 1989, 28). Diese ermöglichen »eine Ergänzung der Sprachgeschichte ›von unten‹« (Glück/Häberlein/Schröder 2013, 346). Polzin-Haumann (2003), die ebenfalls die ergebnisfixierte – in ihrem Fall spanische – Sprachhistoriografie und die damit Hand in Hand gehende pointierte Epochenetikettierung kritisiert61, zielt zwar in ihrem Verständnis einer mehrdimensionalen Modellierung von Sprachgeschichte auf die Einbindung der zeitgenössischen Sprachreflexion und -diskussion »jenseits institutionalisierter akademischer Diskurse« (Polzin-Haumann 2003, 128) ab.62 Überträgt man jedoch dieses Prinzip, das »über die traditionelle Analyse der Höhenkammdiskurse hinausgeht« (Dies. 2003, 128), auf die bisherige Betrachtung des Sprachkontakts im spanischen Italien, so kann auch hier eine ganz ähnliche ›Filterwirkung‹ konstatiert werden, wonach gewisse Quellen im sprachgeschichtlichen mainstream liegen (vgl. die oben vorgestellte zweisprachige Grammatiko- und Lexikografie, vgl. Tab. 2) und zu einer kontaktgeschichtlichen Narration zusammengestellt werden, aber »bestimmte Quellen lange Zeit nicht als aussagekräftig erachtet und dementsprechend nicht bearbeitet wurden« (Dies. 2003, 139). Erst wenn auch solche vernachlässigten, peripheren Quellen mit einbezogen werden, wird das Bild eines potenziell mehrsprachigen Raums erzeugt.

3.2.3 Zum Potenzial der Kommunikationsräume der Italia spagnola

Welche Potenziale lassen sich nun im Hinblick auf die Italia spagnola, die sich in die oben zitierten historischen mehrsprachigen Konstellationen Italiens mit einreihen lässt und eine »tappa importante di una eventuale storiografia dello spazio non solo linguistico ma comunicativo dell’Italia« (Krefeld 2013, 4) darstellt, ausschöpfen?63

Ausgehend von der Koexistenz verschiedener – und unterschiedlich ausgebauter – Idiome, der starken Präsenz von immigrierten Spaniern oder zumindest vorübergehenden regnicoli (von Repräsentanten und Beamten des Hofstaats über Kleriker, Händler, Kaufleute und Soldaten bis hin zu Künstlern) und bestimmter Ausprägungen eines Bilingualismus der Italiener plädiert Oesterreicher für die Herausarbeitung der diskursiven und sprachlichen Praxis der verschiedenen Sprecher- bzw. Textproduzentengruppen im Königreich Neapel während dieser Zeit. Gründliche Archivarbeit und Interdisziplinarität bilden dabei die Forschungsbasis:

Hispanistas, italianistas e historiadores deben examinar y documentar los dominios comunicativos de relevancia social, tanto los de tipo oral como los de tipo escritural, en los que confluyen el toscano o una variedad más o menos basada en el toscano, el napolitano, el siciliano así como el español y – en ciertas tradiciones discursivas – hasta el latín. No llegaremos a hacernos una idea del plurilingüismo en los dos siglos españoles mientras desconozcamos las formas de comunicación oral y escrita en la práctica juridica y en la administración, en los sectores financieros y comerciales, en los entornos eclesiásticos y en la interacción entre los creyentes y el clero postridentino, ni mientras ignoremos la distribución de lenguas en la enseñanza e investigación ›academica‹, en la comunicación con orientación práctica, y en la producción de textos técnicos. (Oesterreicher 2004, 243f.)64

Grundsätzlich geht es also um die diachronische Rekonstruktion des vielsprachigen ›Kommunikationsraumes Königreich Neapel‹ (vgl. Kap. 6.4) oder aber auch pluralisch verschiedener Kommunikationsräume der Italia spagnola.65 Mit anderen Worten: um das Gepräge des arealen romanischen Varietätengefüges innerhalb des mehrsprachigen Territoriums Italiens unter spanischer Herrschaft sowie um die damit verbundene Freilegung des gesellschaftlich-sprachlichen ›Kommunikationshaushaltes‹.66 Hafner/Oesterreicher stecken fünf an Mehrsprachigkeit gekoppelte Kontaktfelder für das Regno di Napoli ab, die auch für die anderen Kommunikationsräume fruchtbar gemacht werden können: die administrativ-juristische, die merkantil-maritime, die literarische, die historisch-lokale und die religiös-katechetische Diskursdomäne (Hafner/Oesterreicher 2011, 131–134 und 137–142).67 Ihnen liegen wiederum die zentralen Ordnungskategorien Nähe und Distanz zu Grunde, die es – je nach Quellensituation – erlauben, »historische Varietätenräume und ihre diachrone Dynamik zu rekonstruieren« (Koch 2003, 113).

Im Sinne einer Aufwertung des Einzelsprechers »quale istanza dello spazio comunicativo storico« (Krefeld 2013, 9) sei es nach Krefeld lohnenswert, den Forscherblick von der Diskurstradition auf die Herkunft und Sprachwahl der Schreiber und Autoren zu richten und auch das Verhältnis von lokaler/regionaler Herkunft, Ethnizität und politischer Zugehörigkeit auszuloten (Krefeld 2013, 6 und 9; vgl. auch Kap. 1, Anm. 19). Fundamental für die Erstellung von sprecherbasierten Mehrsprachigkeitsprofilen ist darüber hinaus der von Sardo geprägte Begriff der »interscrittura« (vgl. Sardo 2013):

In un certo senso, tutte le persone che scrivono in un’epoca di standardizzazione e diffusione dello standard nuovo mirano ad un sistema linguistico che non padroneggiano ancora perfettamente – e che non possono ancora padroneggiare. Tutta la scrittura cinquecentesca è, in questo senso, interscrittura. (Krefeld 2013, 8f.)

Unter Berücksichtigung der genannten Aspekte eröffnet sich »un orizzonte glotto-ideologico radicalmente diverso« (Krefeld 2013, 4) als der traditionelle sprachhistorische Forschungszugriff, wie auch die ›Fundkonzentration‹ zur Mehrsprachigkeit im spanischen Italien in Krefeld/Oesterreicher/Schwägerl-Melchior 2013 sowie die Arbeiten von Schwägerl-Melchior 2014 und Gruber 2014 zeigen.

3.3 Mehrsprachigkeit und die Rolle des Buchdrucks im spanischen Italien

3.3.1 Sprach- und literaturwissenschaftlicher Forschungsstand

Mehrsprachigkeit ruft als Grundbegriff der Kontaktlinguistik68 höchst unterschiedliche Bedeutungen und vielfältige sprachwissenschaftliche Theoriebildungen und Empirien auf und kann daher meines Erachtens als ein »termine ombrello« bezeichnet werden:69 Wie unter einem Schirm werden unter dem Phänomen Mehrsprachigkeit verschiedene Manifestationsformen versammelt. Je nach sprachwissenschaftlicher Disziplin wird Mehrsprachigkeit attribuiert als ›individuelle/kollektive/soziale/territoriale/institutionelle‹, ›horizontale/vertikale‹, ›gelehrte/altsprachliche‹, ›fiktive‹, ›inszenierte/literarische/polyphone‹, ›mediale‹, ›wissenschaftliche‹, ›dialektale/frühe /kindliche/funktionale/(un)balancierte‹, ›rezeptive‹ – um nur einige Beispiele aufzuführen. Außerdem finden sich in der Forschung zahlreiche nähere Bestimmungen bzw. Verortungen von Mehrsprachigkeit, seien es verschiedene lebensweltliche Bereiche, sei es auf institutioneller Ebene (etwa Schule, Regierung, Kirche), sei es kognitiv, räumlich (zum Beispiel in der Großstadt, in der dritten Welt, in bzw. für Europa) oder zeitlich. Auf der rein sprachlichen Ebene kann sich Mehrsprachigkeit in der Sprachenwahl oder in sprachlichen Wechselbezügen (Interferenzen, transkodische Formulierungen, Lehnelemente, Code-Switching als genuine Strategie zwei-/mehrsprachiger Menschen) in der gesprochenen Sprache manifestieren.70 Wie es scheint, haben aktuelle Forschungsansätze, vor allem die Mehrsprachigkeitsdidaktikforschung, die buchstäblich Schule macht, das heißt Erwerb, Formen, Vermittlung und Förderung von Mehrsprachigkeit, entschieden mehr Anhänger als sprachhistorische: Verglichen mit der aktuellen Literatur zu Mehrsprachigkeit und zu Fremdspracherwerb und -gebrauch ist ein Forschungsrückstand für ältere Epochen zu konstatieren.71 Auffällig an der weit weniger ausgeprägten historischen Mehrsprachigkeitsforschung – wenn überhaupt von einer solchen die Rede sein kann, denn auch hier werden heterogene Phänomene verhandelt – ist der Konnex mit Sprachbewusstsein, dies gilt insbesondere für die romanische Sprachgeschichte.72 Genuin bzw. explizit italianistisch-sprachhistorische Studien zur Mehrsprachigkeit gibt es nur wenige,73 was zusätzlich für das Bild der – durch den Buchdruck massiv beschleunigten – italienischen Einsprachigkeit, welches die italienische Sprachgeschichtsschreibung suggeriert, förderlich ist.

Verknüpft man die drei im Rahmen des Forschungsüberblickes vorgestellten Gegenstände der externen italienischen Sprachgeschichte – Buchdruck und Mehrsprachigkeit im spanischen Italien –, so gelangt man zum eigentlichen Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit. Die Vermutung liegt nahe, dass der (aktuelle) Wissensstand aus rein linguistischer Sicht zu diesem Themengebiet ebenso viele Lücken offen lässt wie die ersten beiden vorausgehenden Unterkapitel.74 Um es mit den Worten von Quondam vorwegzunehmen:

Del tutto insufficienti, ancora, gli studi sui rapporti culturali e letterari (anche in termini di traduzioni, edizioni in lingua originale) nell’Italia spagnola, ancora una rimozione, una cancellazione della ›grande crisi‹, un’immagine da dimenticare. (Quondam 1983, 642)

In der Tat ergeben sich neben Migliorinis obenstehenden spärlichen Hinweisen (vgl. Kap. 3.2.1) auf die zahlreichen ge- und misslungenen Übersetzungen aus dem Spanischen, die einen Beitrag zur Diffusion der spanischen Kultur und der Hispanismen leisteten, diesbezüglich nur einzelne – wenn auch fundamentale – Anhaltspunkte bei Croce.75 Dieser bestimmt zwei mediale Realisierungs- bzw. Verbreitungsformen der spanischen Sprache in Italien: Die mündliche, galante Konversation auf Spanisch (insbesondere am Hof) und die Veröffentlichung spanischer Bücher »in gran copia« (Croce 1895, 19), wobei er damit unbegründeterweise nur diejenigen in Druckform meint. Ihren Adressatenkreis weiß er eindeutig zu bestimmen:

Naturalmente, queste stampe non eran fatte ad uso degl’Italiani, ma o si stampavano in Italia, perchè quivi dimoravano i loro autori, o si smerciavano tra i molti spagnuoli ch’erano presso di noi, o anche erano destinate al commercio librario con l’estero. […] Ma una parte di essi era anche smerciata in Italia e tra Italiani, come si vede da parecchie testimonianze […]. (Croce 1895, 20f.)

Nicht nur dieser Schluss ist jedoch vage – denn als »parecchie testimonianze« (Croce 1885, 20) werden lediglich die Aussprachehinweise für das Spanische in einigen Druckwerken (vgl. Tab. 2) sowie ein Ausschnitt aus der Widmung der Mailändischen Ausgabe des Don Quixote (Cervantes Saavedra 1610), in dem die Popularität des Spanischen betont wird, aufgeführt.76 Auch sonst selegiert Croce stark nach drei Gesichtspunkten: nämlich nach literarischen spanischen Druckwerken, nach den vor allem an der Zahl der Nachdrucke gemessenen erfolgreichsten Werken und nach den Büchern, die im Druckzentrum Venedig publiziert wurden.

Alle folgenden, wohlgemerkt ausschließlich literaturwissenschaftlich perspektivierten Untersuchungen bewegen sich auf derselben Forschungslinie.77 Im Bemühen, die im Italien des Cinque- und Seicento bedeutendsten und beliebtesten Bücher und Ersteditionen zu identifizieren und eine Gattungstypologie der spanischen Bücher und Übersetzungen aus dem Spanischen zu entwerfen, hat sich dadurch ein scheinbar homogenes und ›literarisiertes‹ Korpus herauskristallisiert: Besonders florierten demnach religiöse und literarische Buchausgaben, Ritterromane, geografische bzw. koloniale und geschichtliche Literatur sowie Militärtraktate und andere technische Traktate. Dabei werden die immer gleichen Bücher aus Venedig und Auflagenzahlen genannt: Angefangen bei der 1505 erstgedruckten und viele Übersetzungen und Neuauflagen erfahrenden Celestina – »il libro più letto prima del Don Quijote« (Croce 1898, 11) – über die in großer Zahl nachgedruckten Werke von Antonio de Guevara und Luis de Granada bis hin zu Cristóbal de las Casas Verkaufsschlager, seinem zweisprachigen, italienisch-spanischen Wörterbuch (vgl. Tab. 2).

Des Weiteren sind wir aus diversen Studien bestens informiert über den Galicier Alfonso de Ulloa (circa 1525–1570),78 der im Cinquecento zur neuen Generation der »poligrafi-traduttori-compilatori« zählt (vgl. Lievens 2002). Als der Übersetzer spanischer Werke schlechthin fungierte er als Schlüsselfigur zwischen venezianischen Intellektuellenkreisen und Druckerdynastien Venedigs, vor allem der Familie Giolito de’ Ferrara, die auf volkssprachliche Produktion spezialisiert war.79

Einigkeit herrscht in der Forschung ebenso über die Vorrangstellung Venedigs für den spanischen Qualitätsdruck auf der ästhetisch-formalen und inhaltlichen Ebene80 sowie auf der Ebene der Distribution innerhalb Italiens und des Exports (vgl. Gruber 2014, 69f.; Rhodes 2004); die spanischen Druckwerke lassen sich demnach einreihen in die Serie von »products of sixteenth-century Venetian presses [which] might be described as multi-cultural as well as polyglott« (Burke/Briggs 2002, 57). Amelang betont Venedigs »long-term role as a center for the publication of Spanish works both in their original language and in translation« (Amelang 2007, 437). Meregalli erstellt hierzu folgende aufschlussreiche Übersichtstabelle81 – dabei handelt es sich um den ersten Versuch, die spanische Buchproduktion über das herkömmliche qualitative Forschungsverfahren hinaus auch quantitativ zu präzisieren:

Tabelle 3: In Venedig gedruckte spanische Bücher und Übersetzungen aus dem Spanischen ins Italienische (1465–1700) nach Meregalli 1971, 175; Ders. 1974, 17.

Tabelle 3: In Venedig gedruckte spanische Bücher und Übersetzungen aus dem Spanischen ins Italienische (1465–1700) nach Meregalli 1971, 175; Ders. 1974, 17.

Hervorstechend ist der erreichte Spitzenwert sowohl der Übersetzungen als auch der spanischen Originaldrucke im Secondo Cinquecento, obwohl genau in diesem Zeitraum das erste ›schöpferische Jahrhundert‹ des Buchdrucks in Italien zu Ende geht und die Pressekontrolle einsetzt (vgl. Kap. 2.2.2). Die Statistik lässt Meregalli zu dem Schluss kommen, »che in genere gli italiani avevano bisogno di traduzioni per comprendere un testo spagnolo.« (Meregalli 1974, 24). So verdienstvoll die Auszählung und Zusammenstellung ist, offenbart sich hier doch in meinen Augen ein methodisches Problem: Eine Quantifizierung ist immer nur sinnvoll im Rahmen eines Abhängigkeitsverhältnisses. Zwar bemerkt Meregalli in Bezug auf seine Daten:

Como se refieren a Venecia, es claro que estos datos no reflejan sin más la situación total italiana. Pero no hay que olvidar que Venecia fue en todo aquel período el centro editorial más importante de Italia, y también el que más se sustraía a los condicionamientos eclesiásticos y españoles; así que la muestra veneciana tiene también un particular relieve cualitativo. (Meregalli 1971, 175)

Welche Aussage kann jedoch eine solche Statistik besitzen, wenn der rechnerisch entscheidende Bezugspunkt, nämlich die Gesamtmenge der in Venedig (aber genauso auch der in anderen Druckorten in Italien, in Gesamtitalien oder eventuell in anderen Druckorten, zum Beispiel in den spanischen Niederlanden) produzierten Drucke, fehlt? Obgleich es nicht stimmt, dass Venedig die unangefochtene Hauptstadt des Druckwesens auf nationaler und internationaler Ebene bleibt (vgl. Kap. 2.2.3),82 wird außerdem deutlich, dass hier nur literaturwissenschaftliche Parameter gelten, aufgrund derer einerseits bewusst die Tatsache ignoriert wird, dass in Neapel, Rom und Mailand mehr spanische Bücher als in Venedig gedruckt wurden, wie Meregalli selbst feststellt, und andererseits die klar dominierende devotionale und politische Literatur vernachlässigt bleibt, da »de escasísimo valor literario o, más en general, cultural« (Meregalli 1971, 175). Eine weitere Über- bzw. Fehleinschätzung scheint ferner in der Behauptung zu liegen, dass »Venezia di quegli anni era largamente saturata di libri spagnoli, pubblicati specialmente dal libraio Giolito de Ferrari« (Meregalli 1974, 25), wenn man sich vor Augen führt, dass die Druckdynastie der Giolito faktisch nur 13 spanische Titel (von über 1.000 produzierten Editionen) im gesamten Cinquecento produzierte (vgl. Kap. 3, Anm. 35). Es drängt sich im Anschluss an diese Zitate daher die Frage auf, ob die Einflussnahme Venedigs Rolle als ›spanisches Kultur- und Druckzentrum‹ tatsächlich so optimistisch zu interpretieren ist, wie dies bislang gemacht wurde (vgl. Kap. 6.5.1.1).

Einen erstmaligen Einblick in die spanische Buchproduktion Siziliens und des einzigen Druckzentrums des Südens, das heißt Neapel und in dort jeweils entstandene spanische Druckwerke gewähren Polizzi 2013, Sánchez García 2007 und Dies. 2013 (vgl. hierzu auch Kap. 6.2, Anm. 50 und Kap. 6.4, Anm. 66). Unter Erstellung eines Online-Kataloges spanischer Bücher und solcher »di interesse iberistico« wird das dynamische Verhältnis beleuchtet,

[…] que se establece entre el grupo dirigente hispánico presente en Nápoles y la máquina cultural de la capital. Se trata de un diálogo continuo caracterizado por un plurilingüismo muy vivo y un trasvase sistemático de materiales y de ideas de un soporte a otro. Los textos en lengua española son sólo uno de esos soportes […]. (Sánchez García 2007, 8)

Trotz dieser aus dem Süden der Italia spagnola entworfenen Gegenperspektive zu Venedig liegt derzeit immer noch ein weites Forschungsfeld brach, wie bereits Pallotta resümierte:

The body of Spanish works published in Venice and other Italian cities constitutes an aspect of Spain’s presence in Italy worthy of investigation. I believe that fresh research will place in evidence the fact that Spanish texts not only broadened and enriched Italian life in the sixteenth century, but affected it more incisively than we are accustomed to assume. (Pallotta 1991, 39)

3.3.2 Zielsetzungen

Vor dem Hintergrund des letzten Zitats und der bisherigen Forschungspositionen, die auf einer sehr restriktive Auswahl im Hinblick auf die – vermeintlich repräsentativen – Diskurstraditionen, die Hauptakteure im Druckwesen und die Erscheinungsorte beruhen, muss also die spanische Buchproduktion nach den verschiedenen potenziell ›hispanisierten‹ Zonen der Halbinsel spezifiziert und überdies nach Diskursdomänen ausgeweitet werden. Die entsprechenden Thesen, dass sich Bologna und Neapel auf spanische Rechtstexte spezialisierten, in Brescia Bücher meist religiöser oder praktischer Natur verschiedener spanischer Autoren entstanden seien und andere wichtige Druckzentren wie Florenz, Mailand und Turin nur marginales Interesse an spanischen Büchern im 16. Jahrhundert gezeigt hätten (vgl. Pallotta 1992, 37f.) müssen auf ihre Gültigkeit überprüft werden.

Des Weiteren ist die Frage nach den Rezipienten spanischer Bücher zu klären. Wie oben erwähnt (vgl. Kap. 3.3.1), sollen gemäß Croce Spanier die Hauptabnehmer spanischer Druckwerke gewesen sein (Croce 1895, 20f.); für Pallotta kommen drei potenzielle Käufer in Frage: höfische Leser, die Interesse an französischer und spanischer Kultur besessen haben83, gebürtige Spanier in Neapel und Rom und sephardische Juden (Pallotta 1994, 216). Amelang sieht in der Analyse eines gemeinsamen Lesepublikums Forschungsbedarf:

[…] to my knowledge, no one has undertaken systematic exploration of the penetration of one reading culture by the other [Spanish and Italian; T.A.]. Such a study would, needless to say, focus not just on classic titles and the usual suspects in art and architectural theory. It would also have to keep in mind the second- and third-level tiers […]. (Amelang 2007, 452)84

Genauso ist die Frage von Relevanz, welche spanischen oder hispanophonen Autoren, Verleger und anderen Drucker außer den Giolito und Stefano Nicolini di Sabbio in Venedig und Antonio Salamanca in Rom, die stets als prominente Vertreter für spanische Werke genannt werden (vgl. Croce 1917, 157; Lievens 2002, 22–24 bzw. Misiti 1992), sowie Übersetzer neben dem wohlbekannten Alfonso de Ulloa Schlüsselpositionen im Druckprozess besetzten.

Ebenso stellt sich die Frage, ob der Buchdruck seine Kraft im spanischen Italien entfalten konnte, das heißt ob er als sprachlicher Motor der spanischen Regierung, Gesellschaft und Sprache in Italien fungierte. Gab es in diesem Zusammenhang dirigistische Maßnahmen wie die Steuerung oder Förderung von Druckereien und deren Produktion, Initiativen, zum Beispiel auch in der Funktion als Herausgeber eines bestimmten oder mehrsprachigen Verlagsprogrammes? Der spanischen oder mehrsprachigen Buchproduktion können theoretisch politische, administrative, wissenschaftliche oder pragmatische Dokumentationswünsche zu Grunde liegen. Welche (ausländischen) Autoren wurden mit welchen Werken oder Bearbeitungen, Übersetzungen, eigen- oder fremdsprachigen Drucken von der Regierung privilegiert und bevorzugt in welchen Druckerwerkstätten publiziert?

Der essenzielle Fragenkatalog Quondams, »quali libri, per chi, fatti da chi, curati da chi, portati dove, in cambio di cosa, pagati di chi?« (Quondam 1977, 57) kann auch für die vorliegende Arbeit herangezogen werden, ihm sind aber noch folgende entscheidende Fragen hinzuzufügen: in quale lingua/volgare? bzw. tradotti da quale lingua/volgare in quale lingua da chi? Bedacht und analysiert werden sollten ferner die in der Forschung weitgehend ignorierten zwei-, drei- und mehrsprachigen Druckwerke, sieht man von den zentralen lexiko- und grammatikografischen Werken und mehrsprachigen Komödien85 einmal ab (vgl. Tab. 2). Für eine Modifikation der italienisch-spanischen Sprachgeschichte und des italienischen Standardisierungsprozesses gebührt gleichermaßen einem Seitenblick auf den Druck auf bzw. mit Katalanisch, Sardisch, Sizilianisch, Mailändisch und Neapolitanisch Aufmerksamkeit.86

Dieser bislang äußerst stiefmütterlichen sprachhistoriografischen Behandlung der Mehrsprachigkeit im Spiegel des Buchdrucks soll in den folgenden Kapiteln auf Basis des Dreiklangs von Produktion, Rezeption und Reflexion sukzessive entgegengearbeitet werden. Hierbei ist eine deutliche Eingrenzung bzw. Fokussierung erforderlich:

1)  Zeitlich: indem der Zeitraum von 1500 bis 1715, also die zwei ›spanischen Jahrhunderte‹, betrachtet wird, der auch mit den dynamischen Entwicklungen des italienischen Buch- und Sprachenmarktes koinzidiert (vgl. Kap. 2.2).

2)  Kommunikationsräumlich-kontrastiv: indem vier Teilräume des Sprachkontakts bzw. potenzieller sprachlicher Hispanisierung, nämlich die zwei Inseln Sardinien und Sizilien sowie die beiden Metropolen Mailand und Neapel lokalsprachlich und -historisch rekonstruiert und bis zu einem gewissen Grad typisiert bzw. kontrastiert werden.

3)  Thematisch: indem der Begriff der Mehrsprachigkeit empirisch modelliert und operationalisiert wird. Dies geschieht auf der Makro- und auf der Mikroebene:

–    makrostrukturell: indem die Buchproduktion räumlich und zeitlich mit der Sprachverteilung und den Diskursdomänen mittels einer digitalen Datenbank namens TISIT16–17 korreliert bzw. quantifiziert wird;

–    mikrostrukturell: indem die metasprachlichen Diskurse (Sprachenwahl, Sprachbewertung, evtl. transkodische Markierungen) in ausgewählten Druckwerken interpretiert werden, um in einem zweiten Schritt Rückschlüsse auf die Kompetenzprofile der Produzenten (Autoren, Drucker, Verleger) und Rezipienten sowie auf die praktizierte/aktive/zielgerichtete – und/oder auch ungeplante – Mehrsprachigkeit ziehen zu können.

4)  Extern sprachgeschichtlich: wobei eine scharfe Trennung zwischen innerer und äußerer Sprachgeschichte nicht immer möglich sein wird.87

Damit wird versucht, einen Beitrag zum momentan noch verschwommenen Gesamtbild einer weniger monolingualen, national perspektivierten Sprachhistoriografie zu leisten.88 Diese integrative Sprachgeschichtsschreibung versteht sich als eine empiriebasierte, mehrdimensional angelegte Rekonstruktion des kommunikativen Raums, in der die Varietätengeschichte inkludiert ist, in der also alle im selben Raum in einem bestimmten Zeitabschnitt gebrauchten Sprachen und Varietäten gleichberechtigt ihren Platz finden.

1 Vgl. Steinberg 1955, 54–59; Febvre/Martin 1958, 477–496; McLuhan 1962, 309–313; Eisenstein 1979, 117; Giesecke 1998, 490; Schanze 2001, 409. Weitere der zahlreichen, weniger einschlägigen medien- und buchwissenschaftlichen Theorien zur Geschichte und Wirkung des europäischen Buchdrucks brauchen nicht vorgestellt zu werden; gerade dieser ausgesuchte, kleine theoretische Apparat wurde in Bezug auf die Thematisierung der (national-)sprachlichen Konsequenzen infolge des Buchdrucks als repräsentativ erachtet.

2 So stellten bereits Febvre/Martin in ihrem klassischen Werk zum Buchdruck die Ausgangsfrage: »Dans quelle mesure ont-elles [les presses, T.A.] servi le latin dans sa longue résistance aux langues vulgaires et les langues vulgaires dans leur lutte contre le latin?« (Febvre/Martin 1958, XXIX), um zu folgendem Ergebnis zu kommen (das übrigens McLuhan deckungsgleich widergibt, vgl. McLuhan 1962, 309–313): »Unification donc au sein d’aires linguistiques assez vastes. Fixation plus ou moins rapide à l’intérieur de ces aires des langues qui sont encore aujourd’hui les langues nationales.« (Febvre/Martin 1958, XXIX).

3 In ebenso sprachplanerischer Weise werden in der nationalen Sprachgeschichtsschreibung die signifikanten sprachlichen Effekte der Massenmedien im 20. Jh. gewertet, vgl. De Mauro 1963, 110–126, 347–352 und 430–459; Cortelazzo 2000, 37–70. Zur Konnexion von Sprachgeschichte, Medien und (Re-)Standardisierung vgl. Krefeld 2011 und Kap. 7.2.

4 Zu Redaktion und Korrektorat von literarischen Editionen vgl. Trovato 1991; Ders. 1998; Richardson 1994 und Milic 2007, URL: http://www.ling.cam.ac.uk/camling/Manuscripts/CamLing2007_Milic.pdf (Zugriff vom 18.08.2014).

5 Bspw. aus sprachhistorischer Sicht Devoto 1979; Koch 1988; Marazzini 1994. Quondam 1983 analysiert aus dem literaturwissenschaftlichen Blickwinkel das enge Verhältnis zwischen Buchdruck und Literatur(sprache), wobei seine Grundlagenabhandlung durch detailreiche sozialgeschichtliche Informationen, Grafiken und Direktzitate aus Primärquellen auch äußerst fruchtbar für die Sprachgeschichte ist. Vgl. darüber hinaus auch Belloni/Drusi 2007, 253–286 und Mehltretters Druckgeschichte von Petrarcas Rime aus mediengeschichtlicher und poetologischer Sicht (Mehltretter 2009).

6 So betont Trovato: »Naturalmente, si sono privilegiati fin qui esempi che anticipano, più o meno rigorosamente, la soluzione vincente del nuovo secolo, il fiorentino letterario, o quanto meno riducono il tasso dei tratti locali.« (Trovato 1991, 112).

7 Vgl. die chronologischen Auflistungen in Serianni 2002, 672–675; Michel 2005, 120 und 139 sowie Tesi 2007, 187f. Ebenso findet sich in Reutner/Schwarze 2011, 126–128 (auf Basis von Trifone 1993) die übliche ›Verschlagwortung‹ des Buchdrucks als Kodifikationsort, die Wichtigkeit Manuzios und dessen Aldine sowie die des Korrektors.

8 Die Schüsseldaten lauten demnach: Erstdruck der volkssprachlichen Bibelübersetzung 1470, des Decamerone 1471, der Commedia und des Canzoniere jeweils 1472. Ebenfalls Erwähnung finden in diesem Zusammenhang stets die Überarbeitungen von Ariosts Orlando Furioso und Sannazaros Arcadia (Erstdruck 1516 bzw. 1504), wobei eine erste gründliche linguistische Studie bislang nur zum Furioso vorliegt (vgl. Boco 1997; Dies. 2001; Dies. 2005).

9 Während Febvre/Martin noch auf den vom Buchdruck ausgelösten »changements (ne parlons pas de révolution)« (Febvre/Martin 1958, XXIII) insistieren, stellt Eisenstein als Erste überhaupt die medienhistorische Revolutionsthese auf bzw. erkennt die – sich in ihrer Betrachtung über drei Jahrhunderte erstreckende – revolutionierende Wirkung des Buchdrucks an. »Unacknowledged« sei die Revolution deshalb, da die Buchdruckkultur zumindest zunächst nur die Apotheose einer anderen Schreibkultur, jener des ausgehenden Mittelalters, darstelle. Ausschlaggebend sei der Humanismus, der Buchdruck sei nur sein Multiplikationsfaktor durch seine unveränderlich mobilen Elemente und daher lediglich »an agent not [to] the agent, let alone [to] the only agent of change in Western Europe« (Eisenstein 1979, XV).

10 Trifone stellt dabei drei kodifizierende Werke heraus: »Dalle Prose della volgar lingua al primo Vocabolario della Crusca ai Promessi Sposi manzoniani la stampa resta non un ma il nuovo luogo istituzionale della codificazione linguistica« (Trifone 1993, 429); zu den Promessi Sposi siehe auch Kap. 7.2.

11 Bereits Quondam machte darauf aufmerksam, dass in den Offizinen ein »microbabele linguistico« (Quondam 1983, 664) vorgeherrscht habe und erläutert: »Il libro che esce dall’officina è il frutto di un lavoro di più mani che si sovrappongono: quella dell’autore, quella del compositore, quella del correttore-revisore (che agisce prima e dopo le bozze), ciascuno con la sua competenza, il suo codice culturale. Un percorso ad alto indice d’interferenza e di rischio: dell’errore come – all’opposto – dell’ipercorrettismo.« (Quondam 1978, 190; vgl. Kap. 2, Anm. 5). Zu diversen europäischen Druckoffizinen als volkssprachlichen Experimentationsstätten vgl. Kammerer/Müller im Druck (vgl. die Webseite des hinter dem Sammelband stehenden internationalen Forschungsprojekts »Eurolab« und die Vorstellung der einzelnen Laboratorien, URL: http://eurolab.meshs.fr/page.php?r=10&id=8&lang=de [Zugriff vom 18.08.2014]).

12 Auch hierzu äußerte sich schon Quondam: »Il volgare del libro non corrisponde né alla lingua dell’interno officina, né, tanto meno, alla lingua dell’esterno Venezia: è una lingua autonoma, altra. Il lavoro che si svolge nell’officina è, dunque, ad alto rischio: lavoro su una lingua straniera, di nessuno e di tutti, al tempo stesso.« (Quondam 1982, 179f.).

13 Akzidenzen sind »Gebrauchsdrucksachen kleiner und mittlerer Auflagen«, synonymisch dazu wird auch der Begriff »Gelegenheitsdrucke« (Rautenberg 2003, 19) verwendet.

14 Darüber »[w]hat Zuanne read in school« informiert der gleichnamige Aufsatz von Grendler 1982. Interessanterweise zählte zum Kanon volkssprachlicher Literatur in Venedigs Schulen des 16. Jh.s gerade das für Schüler eher ungeeignete Tre-Corone-Korpus nicht; lediglich der Orlando Furioso wurde als Ritterroman auf Wunsch der Eltern gelesen (vgl. Grendler 1982, 51 und 53).

15 Vgl. zur italienischen Zeichen(fest)setzung Ambrosch-Baroua 2009.

16 Die Pro- und Contra-Argumente des Buchdrucks sind in Kürze: Gefährdung der Manuskripttradition; ästhetische und geistige Verarmung versus göttliches Instrument, das Wissenszugang für alle schaffe und der unendlichen Vervielfältigung und Verewigung der antiken Klassiker diene (vgl. Prete 1988; Richardson 1998; Eisenstein 2012) und aus zeitgenössischer Sicht Doni 1552, II, 5–24; Fioravanti 1583, Kap. XXVI, 69–71r; Garzoni [1589] 1996, II, 1023f.

17 In Garzonis erfolggekröntem und in zahlreiche Sprachen übertragenen Werk La piazza universale di tutte le professioni del mondo (Garzoni [1589] 1996, 2 Bde.) finden sich Beschreibungen der neuen Berufszweige: »De’ correttori, o censori« (Garzoni [1589] 1996, I, 341–348), »De’ Professori delle lingue, overo linguaggi, et in particolare degli interpreti di lingue, e tradottori, et commentatori d’ogni sorte« (Ders. [1589] 1996, I, 566–573, unter Nennung der entsprechenden sprachlichen Autoritäten für die lateinische und italienische Sprache), »De’ Librari« (Ders. [1589] 1996, II, 1018–1021), »De’ Stampatori« (Ders. [1589] 1996, II, 1022–1025), aber ohne entsprechende Indizien auf erforderliche Sprachkompetenzen oder Sprachbarrieren, die der Buchdruck hervorrufe. Lediglich in Bezug auf die Korrektoren wird betont: »[…] ma hoggidì i nostri moderni son diventati tanto maestri di questa professione, che né in latino, né in volgare siamo sicuri hormai dalle censure loro« (Ders. [1589] 1996, I, 342).

18 In Nicolò Francos Dialogo del venditore di libri, enthalten in seinen Dialogi piacevoli (Franco 1539, Venedig, bei Giolito), einer der ältesten und einer nach Auflagen bemessen sehr erfolgreichen Beschreibung dieses Berufsbildes, werden im satirischen Dialog die Fähigkeiten und Strategien eines guten Buchhändlers erörtert (vgl. Franco [1539/1593] 2005; Speciale 1990). Zum Berufsstand der librari vgl. auch Garzoni [1589] 1996, II, 1018–1021.

19 Giulio Cesare Croce, ein bolognesischer Schriftsteller, Bänkelsänger und Komödienautor, persifliert die zeitgenössische Terminologie des Druckwesens unter Darbietung erfundener Titel in La Libraria convito universale (1617, Bologna), URL: http://badigit.comune.bologna.it/GCCroce/sfoglia.aspx?Num_Lib=54 und im Indice Universale della Libraria (1623, Bologna), z.B.: »Disperata d’Amore, di Baldassare Olimpo, tomi quindeci, in quinta rima, con l’espositione del Burchiello, cauata dall’Idioma de’ Papagalli, e tradotta in lingua d’Ocha« (Croce 1623, a2), URL: http://badigit.comune.bologna.it/GCCroce/sfoglia.aspx?Num_Lib=599 (Zugriff vom 25.08.2014). Vgl. die digitale Titelsammlung der Werke Croces, URL: http://badigit.comune.bologna.it/GCCroce/ (Zugriff vom 25.08.2014). Auch Francesco Doni übt mit La Libraria (Doni [1550] 1551, Venedig) zunächst satirisch Kritik an den Zwängen des Buchdrucks und integriert bspw. eine ernstgemeinte Liste von Büchern, die es wert seien, gedruckt zu werden (vgl. zu Doni auch Kap. 6.4.6.2 und Kap. 6.4, Anm. 168), vgl. Doni 1551, 161–276, Permalink: http://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10178669-3 (Zugriff vom 25.08.2014).

20 Giovanni Fratta verfasst hierzu eine eigene Abhandlung: Della dedicatione de’ libri. Con la correttion dell’abuso (1590, Venedig), vgl. Santoro 2006. Zur Theorie der Widmung vgl. Santoro und Genette, der zwischen Zueignung (Widmung eines Werks) und Widmung (meist signierte Widmung eines Exemplars), die im 16. Jh. sogar zu einem Widmungshandel führte, typologisiert (vgl. Santoro 2005; Genette 1989, 115–140, insb. 115).

21 In Hieronymus Hornbuschs Orthotypographia (Hornbusch 1608, Leipzig), einem in der ersten Version auf Latein verfassten Handbuch für Korrektoren, findet sich nur der Hinweis auf erforderliche Griechisch- und Lateinkenntnisse sowie ein »scharffes Gesicht« (Hornbusch 1608, 8f.) beim Korrektorat, vgl. die Ausgabe von 1634, URL: http://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/12656/1/0/ (Zugriff vom 25.08.2014). Juan Caramuel y Lobkowitzs spanisches, in Italien geschriebenes, aber in Lyon gedrucktes Syntagma de arte typographica, Tratado del Arte Tipográfico y de los deberes de cuantos publican libros o participan en su edición (Caramuel y Lobkowitzs 1664, Lyon) (vgl. Romani 1988) entbehrt metasprachlicher Kommentare (vgl. Kap. 6.4, Anm. 63), vgl. die katalografische Beschreibung des Werks, URL: http://cvc.cervantes.es/obref/fortuna/expo/literatura/lite039.htm (Zugriff vom 25.08.2014).

22 Die gewerkschaftliche Organisation einer der wichtigsten Professionen in Venedig wurde als eine dringende Notwendigkeit erachtet. Der Beitritt zur Handwerksgilde der Buchdrucker und -händler war für jeden venezianischen Typografen verpflichtend und unterlag strengen Auflagen; insbesondere der Zugang zur Meistertätigkeit war mit hohen Anforderungen verbunden. Die Zunft bestand höchstwahrscheinlich bis zum Jahr 1806, aus diesem Jahr datiert das letzte von Brown gefundene Dokument des jährlichen Protokollbuches (vgl. Brown 1891, insb. den Anhang 249–452).

23 Im Jahr 1600 endet meistens die sprachhistorische ›Zeitrechnung‹, da praktisch ein (literatur-)sprachlicher Standard, auch in orthografischer Hinsicht, erreicht sei (vgl. Maraschio 1992; Dies. 1993).

24 Vgl. Quondam 1982; Ders. 1983, 654–676; Trovato 1986; Ders. 1987; Patota 1999.

25 Im Jahr 1639 wird in Genua die erste Zeitung gedruckt, vgl. Infelise 2002, 84. Vgl. zur Geschichte der Publizistik in Italien im 16. und 17. Jh. Infelise 2002, insb.79–105 und Monaco 1992.

26 Dies gilt in gesamtromanistischer Perspektive, vgl. Wilhelm 2006 und Gerstenberg 2006.

27 Auf Geheiß der jeweiligen Städte wurden die Statuten aus Prestigegründen in den Druck gebracht, was oftmals der Beginn der typografischen Tätigkeit überhaupt war.

28 Vgl. Quondams Hinweis auf die im Indice Generale degli Incunaboli delle biblioteche d’Italia (1943–1981) aufgeführten ersten »statuti volgari« von Ascoli, Venedig und Friaul sowie diverser »compagnie« (Quondam 1983, 609). Die Erstedition der Statuta veneta aus dem Jahr 1477 ist bspw. auf volgare; 1492 erscheint die zweisprachige Ausgabe Statuta Venetorum auf Latein und in einem venezianisch gefärbten Italienisch (vgl. Belloni/Drusi 2007, 268f.). Auch Borsa 1992 führt einige Städte (z.B. Messina und Palermo 1478; Orvieto 1538) und Regionen (z.B. Udine 1484 für Friaul; Messina 1497 für Sizilien) auf. In Ascarelli 1953 finden sich viele Beispiele für den Druck der Statuten im Cinquecento; auffallend ist hierbei, dass alle im gleichen Zeitraum zwischen ca. 1530 und 1550 gedruckt wurden und zwar – ganz im Gegensatz zu den frühen Publikationen – auf Lateinisch, wie im zitierten Falle Palermos – im volgare – nähere Angaben hierzu macht Ascarelli leider nicht.

29 Ausgangspunkt könnte die detaillierte Arbeit von Gobessi/Orlando sein, in der die volkssprachliche Übersetzung der Costituzioni della patria del friuli (1484) aus dem Latein linguistisch analysiert wird (vgl. Gobessi/Orlando 1998, 79–96). Im Widmungsbrief des volgarizzamento an den Drucker expliziert der Übersetzer, der Priester Piero Cavretto, seine Sprachwahl, die von einer mehrsprachigen Kompetenz geprägt ist, aber auch von Pragmatismus zeugt. Sein Ziel war es, eine Sprache zu finden (»elezer«), die sowohl mit der zu druckenden »materia del volume« als auch mit der Zielgruppe übereinstimme: Latein, Toskanisch und Friaulisch werden abgelehnt, da sie erstens für die vielen illiterati, zweitens vom (zu hohen) Stil her und drittens in Bezug auf die potenzielle Reichweite und Funktionalität der Sprache an sich ungeeignet seien. Schließlich kam nur die »lengua trivisiana« als für alle Leser verständlichste Druck-Sprache in Frage.

30 Wilhelm gibt weitreichende Einblicke in die gattungs- und sprachgeschichtlichen Wandlungsprozesse zu Beginn der typografischen Ära anhand 115 ausgewählter italienischer Flugschriften des 16. Jh.s, indem er die interne Perspektive (Syntax) und die externe Perspektive (Sozialgeschichte, Paratexte und metasprachlicher Diskurs) verbindet – er legt damit eine der wenigen sprachhistorischen Fallstudien vor, die es zum Thema gibt (Wilhelm 1996).

31 Vier Fallbeispiele aus Italien, Frankreich und Spanien präsentiert hierzu Raible 2006, 151–157. Zum Sprachwechsel aus dem Lateinischen in der gedruckten astronomischen, meteorologischen und kosmologischen Literatur vgl. Paulus 2005.

32 Eine solide Ausgangsbasis hierfür bildet Santoro 2008.

33 Das klassische, allerdings literaturwissenschaftlich perspektivierte Werk zum »Beiwerk des Buches« ist Genette 1989; vgl. des Weiteren Santoro 2006.

34 Müller betont die neue Werbestrategie von Widmungen: »Sie sind häufig an einen Adressaten oder Adressatenkreis gerichtet, den der Widmende kennt und von dessen Kompetenzen und Interessen er weiß; dieser Kreis ist Vorbild und Garant für ähnliche Abnehmer; das – unmögliche – Gespräch mit einer diffusen Öffentlichkeit wird durch das – seit je mögliche – Gespräch mit Bekannten vorstrukturiert.« (Müller 2004, 57f.).

35 Ähnlich wie dies Trovato 1991 materialreich anhand der Figur des Korrektors gezeigt hat. Auch in Quondam lassen sich zahlreiche metasprachliche Aussagen aus Primärquellen finden (vgl. Quondam 1983, insb. das Kapitel I »Citando, interrogando i testimoni«, 566–575). Vgl. darüber hinaus Santoro/Trovato 2005.

36 Italien gilt als ›Geburtsstätte‹ der hebräischen Typografie; die europaweit ersten in hebräischer Sprache gedruckten Bücher bzw. Bibeln erschienen ab 1475 in Mantua, Ferrara, Bologna, Soncino (bei Cremona); vgl. Arnold 2006, 87–108 (vgl. auch Kap. 7, Anm. 19). Hebräisch und die orientalischen Sprachen finden zumindest in buchgeschichtlicher Sicht aufgrund von typografisch-ästhetischen Gesichtspunkten immer eine Erwähnung, weil für diese Sprachen ein spezieller Satz an Lettern hergestellt werden musste. Dasselbe gilt für die griechische Buchproduktion, nicht zuletzt aber wegen ihrer herausragenden Rolle im Humanismus.

37 Dieses Versäumnis gilt übrigens auch in umgekehrter Perspektive für die spanische Sprachgeschichtsschreibung, die auch dort, wo eine Typologie frühneuzeitlicher Mehrsprachigkeit und Kontaktszenarien entworfen werden, das spanische Italien ausblendet (vgl. etwa Martinell Gifre/Piñol 1996; Martinell Gifre/Piñol/Ribas Moliné 2000).

38 Vgl. Devoto 1964; Marazzini 1994; Tesi 2001; Michel 2005. Reutner/Schwarze skizzieren die geschichtlichen Verhältnisse Italiens im 16. Jh. und identifizieren in diesem Zusammenhang eine »Hispanisierung« (Reutner/Schwarze 2011, 115–117, insb. 116) des Stiefels. Die politisch-soziale Zerklüftung war ihres Erachtens für ein einheitliches Sprachmodell förderlich.

39 Vgl. hierzu Varvaros’ kurzer Abriss der italienischsprachigen Hispanistik und romanischen Philologie (Varvaro 1993, 33–42).

40 Ein besonders treffendes aktuelles Beispiel mag der Beitrag von Formisani 2006, insb. 1763–1767, veranschaulichen. Einerseits ermittelt der Autor eine »ispanomania« (Formisani 2006, 1763) im Italien des Cinquecento und der ersten Hälfte des Seicento, andererseits macht er diese ausschließlich an den lexikalischen Entlehnungen aus dem Spanischen ins Italienische fest. Auch in Bezug auf das Sardische konstatiert er: »La profondità del contatto linguistico è, inoltre, dimostrata da numerosi calchi e incroci tra catalano, spagnolo, sardo e italiano.« (Formisani 2006, 1774).

41 Vgl. Croce 1895, Permalink: http://archive.org/details/iteatridinapolis00croc (Zugriff vom 12.12.2014); Ders. 1898, Permalink: http://archive.org/details/ricercheispanoit00crocuoft (Zugriff vom 12.10.2014); Ders. 1917, Permalink: http://archive.org/details/laspagnanellavit00crocuoft (Zugriff vom 20.10.2014); Ders. 1927b. Eine weiterführende Bibliografie zu Croces hispanistischen Studien mit insgesamt 115 Titeln beinhaltet Siracusa 1972, 37–56; des Weiteren findet sich Literatur von und über Croce in Weiß 1999, 340–352; vgl. auch die Online-Bibliografie und zu Croce, URL: http://www.rivista.ssef.it/www.rivista.ssef.it/site455c.html?page=20040730084827420&edition=2005-01-01 (Zugriff vom 25.08.2014).

42 Meregalli beschäftigt sich mit den literarischen Folgen der spanischen Präsenz in Hinblick auf Literaturtheorie, Lyrik, Epik, Sprechtheater und Religion (Meregalli 1971; Ders. 1974).

43 So geht Tornatore in seiner Studie zum spanischen lexikalischen Erbe im Sizilianischen von der Prämisse aus, »que el repertorio léxico es efectivamente el témoin de l’histoire« (Tornatore 2003, 4, in Anlehnung an Sapir 1921).

44 Flankierend kommen die Studien von Beccaria 1985 (Lehn- und Fremdwörter im Kontext der spanischen Kolonisation) und D’Agostino 1993 (katalanische und portugiesische Entlehnungen eingeschlossen) sowie Formisano 2006, 1763–1767 hinzu.

45 D’Agostino und Formisano stimmen dahingehend überein, dass sie, wie bereits Croce, Spanisch im soziopolitischen Bereich als überlegene und demgegenüber im kulturellen Bereich als unterlegene Sprache bestimmen – wohlgemerkt rein auf der lexikalischen Ebene (Croce, 1895, 42–52; D’Agostino 1994, 804; Formisano 2006, 1763).

46 So auch in den anderen Kapiteln zum italienischen Sprachkontakt mit dem Französischen, Englischen, Deutschen und Arabischen, zu denen der Autor jeweils nach Jahrhunderten gestaffelte Tabellen der Entlehnungen präsentiert (vgl. Serianni 2002, 579–641). Einen sporadischen Hinweis auf Basis von Beccaria 1968 gibt Serianni immerhin zur sprachlichen Hybridisierung in den gride, den offiziellen Einblattdrucken von Mailand (vgl. Serianni 2002, 612) (vgl. hierzu auch die linguistische Analyse des Gridario von 1688 in Kap. 6.3.6.2).

47 Ein Bestseller verkauft in kurzer Zeit viele Exemplare; ein Longseller ist ein über einen langen Zeitraum hinweg verkauftes Buch, vgl. Rautenberg 2003, 55f. Freilich können diese Termini hierfür nur im übertragenen Sinn verwendet werden, da der Begriff als solcher erst mit der Einführung der Bestsellerlisten 1898 in Amerika entstanden ist, vgl. Fischer 1999.

48 Aus der Vielzahl von Publikationen seien herausgegriffen: Croce 1895, 23–32; Mele 1914; Gallina 1959; Gallina 1991; Nieto Jimenéz 1991; Niederehe 1994, 100–114; Chierichetti 1997; Guidotti 2001; Carreras i Giocoechea 2002; Lievens 2002; Capra 2007b; Gruber 2014, 243–278.

49 So würdigt Breva-Claramonte Mirandas’ Osservationi »as one of the key, if not they [sic] key bilingual grammar in the history of the teaching of Spanish to speakers of the other languages. […] Miranda’s work was the methodological source of the teaching of Spanish in the following hundred years.« (Breva-Claramonte 2000, 720). Vgl. hierzu auch Kap. 6.4.6.3.

50 Der Diálogo de la lengua (1535?), die einzige sprachtheoretische und bekannteste Schrift von Juan de Valdés (†1541), der in Neapel lebte und wirkte, erschien, wie auch Valdés’ andere (religiöse) Werke, nicht im Druck, sondern wurde erst im Jahr 1736 publiziert, vgl. Valdés 1535?, Permalink: http://bdh.bne.es/bnesearch/detalle/bdh0000048928 (Zugriff vom 25.08.2014). Meregallis These »[…] che se l’opera fosse stata diffusa avrebbe dato agli italiani un’idea completamente diversa dei valori della letteratura spagnola« (Meregalli 1974, 21f.), soll hier unkommentiert bleiben. Vgl. aus dem beträchtlichen Umfang der Sekundärliteratur z.B. Maurer 2001; Gruber 2009; Dies. 2014, 211–220; Lievens 2013, z.B. 18–23, 53–56.

51 Vgl. die in Goebl [u.a.] unter dem dritten und vierten Großkapitel (»Bedingungsfaktoren der Kontaktlinguistik«) aufgeführten Kontaktfaktoren sprachlicher Ebenen (von Phonetik/Phonologie bis hin zu Stilistik) und die in IV. behandelten sprachexternen Kontaktfaktoren wie etwa Gesetzgebung, Migration und Sprachgemeinschaft, die sich freilich auf synchrone Kontaktszenarien beziehen, jedoch durchaus auch für diachrone Studien in Betracht gezogen werden können und müssen (Goebl [u.a.] 1996).

52 Einen guten Überblick über die italienische Sprachgeschichtsschreibung zwischen traditionellen und wegweisenden neueren Ansätzen bietet Ellena 2011, 1–24.

53 Burke zählt 71 europäische Sprachen für den Zeitraum von 1450 bis 1789 (Burke 2004, 173–175); ferner bietet er eine Chronologie der ersten gedruckten sowie einflussreichsten sprachtheoretischen und -praktischen Bücher in diesen Sprachen (Burke 2004, X–XIV). Diese ›normale‹ Mehrsprachigkeit gilt in gleichem Maße auch für die vorausgehende Epoche: Für das Hochmittelalter Italiens können nach Muljačić 1997 um die 700 lokale vernacoli veranschlagt werden, die sich ab dem Duecento auf 100 volgari reduzierten (vgl. Vincent 2006, 15).

54 Zur theoretisch-konstruktivistischen, mehrdimensionalen Konzeption des »spazio vissuto« bzw. von Kommunikationsräumen vgl. Krefeld 2002a und Ders. 2004a, 19–33.

55 Wie dies nach Auffassung Krefelds dem sizilianischen Sprachhistoriker Varvaro mit seiner Storia e lingua in Sicilia (1981) in singulärer Weise gelungen sei. Zur nationalphilologischen Tradition der romanischen Sprachgeschichtsschreibung vgl. auch Krefeld 2007, 3–6 und Ders. 2011, 270–273.

56 Vgl. auch Wilhelm, der potenzielle Forschungsgebiete einer regionalen Sprachgeschichte aufführt, »wobei nicht die Ausbreitung der Nationalsprache oder die Unterdrückung der Minderheitensprache, sondern die Geschichte der sozialen Mehrsprachigkeit im Mittelpunkt stehen müsste.« (Wilhelm 2003, 224). Als konkreten Untersuchungsgegenstand für mehrsprachige Räume zöge er »das Nebeneinander von Spanisch, Katalanisch, Sardisch und Italienisch auf Sardinien im Quattro-Cinque-Sei-Settecento« (Ders. 2003, 224, Anm. 6) in Betracht; er selbst fokussiert in dieser Perspektive die Lombardei unter französischer und spanischer Herrschaft (vgl. Ders. 2007 respektive Ders. 2013).

57 Auch Weidenbusch bemerkt: »Selbstverständlich verkompliziert sich die simple Übertragung von Methoden und Fragestellungen aus der Synchronie in die Diachronie durch das Problem der Angewiesenheit auf Quellen.« (Weidenbusch 1999, 147).

58 Die richtige ›Etikettierung‹, also (mehr-)sprachliche Auszeichnung von Quellenmaterial ist für den Linguisten eine unentbehrliche Hilfe, mit der (in der Historiografie und historischen Buchwissenschaft) viel zu lax umgegangen wird, vgl. Kap. 4.2.

59 Zur Editionsproblematik äußert sich auch Koch kritisch: »Hier liegt aus linguistischer Sicht einiges im Argen, weil die betreffenden Texte, wenn überhaupt, traditionell eher von Historikern, Soziologen, Wirtschaftshistorikern, Theologen, usw. ediert wurden. Die sprachliche Form wird in deren Perspektive zu einer störenden Randerscheinung, so dass im Falle von ›Abweichungen‹ vom gewohnten Schriftbild und von schriftsprachlicher Grammatik im Interesse der Lesbarkeit kräftig ›emendiert‹ wird.« (Koch 2003, 113).

60 »Comunque, a livello nazionale, cifre ragionevolmente accurate circa la consistenza e la struttura della popolazione sono disponibili solo a partire dalla fine del secolo XVIII.« (Cipolla 1980, 13). Jedoch beweist Maxia mit seiner Studie, wie historische Demografie sogar auf linguistisch-onomastischer Grundlage funktionieren kann: Vornehmlich aus Kirchenbüchern rekonstruiert er die Präsenz korsischer Einwanderer(familien) und der korsischen Sprache auf Sardinien und gewährt dadurch Einblick in die gesamte insuläre Sprecherrealität von Sarden, Korsen, Italienern und Spaniern (Maxia 2006); vgl. auch Kap. 6.1.1.

61 Aus hispanistischer Sicht gilt das 18. Jh. (siglo ilustrado) vor allem aufgrund der Kodifizierungsinstanz der Real Academia Española als Epoche der Normierung und Fixierung der spanischen Sprache.

62 Ellena realisiert dieses erweiterte Konzept von Sprachgeschichte für Italien, indem sie sich bewusst von der toskozentrierten questione della lingua entfernt: Die Sprachbewertung der norditalienischen Varietäten im Blick, greift sie auf eine Reihe von weiteren metasprachlichen Texttypen außer den traditionell untersuchten Grammatiken zurück (Ellena 2011). Koch unterscheidet zwei metasprachliche Quellentypen zur Erforschung nähesprachlicher Varietäten: »positive Quellen« und »negative Quellen« (Koch 2003, 111) puristischer Art.

63 Zur Anpassung der Dimensionen des kommunikativen Raums in die Diachronie vgl. auch Schwägerl-Melchior 2014, 37–47.

64 Vgl. Oesterreicher 2004, URL: http://www.revistas.pucp.edu.pe/index.php/lexis/article/download/9189/9599 (Zugriff vom 10.09.2014).

65 Hafner schlägt diverse Zuschnitte von Kommunikationsräumen vor: Denkbar wären demnach die interne neapolitanische Stadtkommunikation, die externe ›provinzielle‹ Kommunikation, die insulare Kommunikation auf Sizilien oder Sardinien, die maritime (Hafen-)Kommunikation sowie ›Paarungen‹ wie etwa Neapel-Umland, Neapel-Sizilien, Neapel-Sardinien oder auch Neapel-Madrid. Die interessante Relation zwischen den Spanischen Niederlanden (1522–1714) und Neapel (oder allgemein des spanischen Italien) berücksichtigt Hafner indes nicht, aber: »Der Anwendung des Prinzips Kommunikationsraum sind also kaum Grenzen gesetzt, sofern sich ein fundierter, trennscharfer Zuschnitt thematisch legitimieren lässt, der den historischen Gegebenheiten entspricht und diese widerzuspiegeln vermag.« (Hafner 2009, 112).

66 Der Begriff des »›kommunikativen Haushalts‹« geht auf Luckmann zurück, der diesen einführt, »um die spezifisch kommunikative Dimension des gesellschaftlichen Lebens zu bezeichnen. […] Er bezieht sich auf die Gesamtmenge derjenigen kommunikativen Vorgänge, die auf Bestand und Wandel einer Gesellschaft einwirken. […] Die umgangssprachliche Bedeutung dieses Begriffs bezieht sich sowohl auf genau ermittelte wie auch auf grob geschätzte Bestandteile. Er spielt auf Planen und genaue Buchführung wie auch auf zurechtgestutzte Zahlen, Schätzungen, Vermutungen an. All das gibt recht gut das Wesen der unterschiedlichen Elemente des kommunikativen Haushalts wieder.« (Luckmann 1988, 284f.).

67 Weitere Forschungsimpulse gehen von Hafner 2009; Hafner/Oesterreicher 2011 aus; zur Mehrsprachigkeit in den frühneuzeitlichen mittelmeerischen Vizekönigreichen der Spanischen Krone siehe auch Béhar/Blanco/Hafner im Druck, URL: http://eurolab.meshs.fr/page.php?r=10&id=8&lang=de#plurilinguismus (Zugriff vom 25.08.2014).

68 Grundlegend sind Wandruzska 1979; Lüdi 1996; Kremnitz 1994.

69 In Anlehnung an Eco, der diesen Begriff in semiotischem Zusammenhang schuf (Eco 1979, 24 und 101).

70 Vgl. Lüdi 1996a, 242; Riehl 2004.

71 Zu diesem Manko vgl. auch Glück/Häberlein/Schröder 2013, 2f. (siehe ferner die Forschungsanregungen des Autorenteams, Dies. 2013, 346f.). Zur Vorgeschichte vgl. Andersen 2003; zur Antike vgl. Boschung/Riehl 2011; zum Mittelalter vgl. Baldzuhn/Putzo 2011 und Moos 2008a; zur Renaissance vgl. Maaß 2005; zur frühen Neuzeit vgl. Maaß/Schrader 2002, insb. 105–143 und Glück/Häberlein/Schröder 2013; zur Sprachenpluralität in der europäischen Frühmoderne vgl. außerdem Burke 2004.

72 Für das Spanien des 15. und des 18. Jh.s vgl. Bahner 1956 bzw. Polzin-Haumann 2006; für Latein in der Antike vgl. Müller 2001; für die Romania vgl. Hassler 2000; für romanisch-europäische Einzelzeugnisse vom 12. bis 18. Jh. vgl. Martinell Gifre 1996.

73 Vgl. immerhin Prifti 2013; Schwägerl-Melchior 2014; Gruber 2014; Barbarić im Druck.

74 Aber auch die Buchgeschichte steht vor einem erstaunlich großen Wissensloch bzw. zeigt nur marginales Forschungsinteresse am spanischen Buchdruck außerhalb Spaniens, obwohl der lokale spanische Buchbedarf zu einem erheblichen Teil von außen gedeckt wurde, vgl. Martín Abad 2003.

75 Vgl. Croce 1895, 19–21; 74; Ders. 1898, 10–15; Ders. 1971, 157f.

76 Vgl. hierzu auch das Kap. 6.3.5.2.

77 Vgl. Croce 1898; Croce 1948; Meregalli 1971; Ders. 1974, Pallotta 1992; Lievens 2002, 11–46 (vgl. auch Kap. 3, Anm. 79).

78 Es gibt eine Fülle an Veröffentlichungen, in denen Ulloa nicht nur als Garant für die Korrektheit der Drucke betrachtet wird, sondern ferner glorifiziert wird als ein »intermediario tra le due culture« (Gallina 1955); »il principale propagatore delle spagnolerie in Italia« (Croce 1948, 106); »introductor de la cultura española en Italia« (Rumeu de Armas 1973); »un editore ›irregolare‹ nell’editoria veneziana nel Cinquecento« (Lievens 2002); »jack-of-all-trades: a soldier, possibly a spy […], certainly a scribe, a translater, biografer, and all-round fixer in printshops« (Amelang 2007, 439).

79 Ulloas Œuvre als Übersetzer und Autor umfasst 93 Editionen: 79 italienische, 12 spanische und 2 lateinische (vgl. EDIT16 2014). Dieser Familienbetrieb (1536–1606), der sich durch stetige Liquidität und eine effiziente technisch-redaktionelle Organisiertheit (mehrere Pressen, ca. 50 Übersetzer – darunter Ulloa – und zehn Kuratoren/Korrektoren) zu einem Markenunternehmen mit Filialen in Bologna, Ferrara, Padova und Neapel ausbaute und im Gegensatz zu den Manuzio auf Texte im volgare spezialisiert war, reagierte sehr schnell auf die Bedürfnisse des Marktes. Von den insgesamt 1.019 Editionen (527 Erst-, 492 Nachdrucke von 290 Autoren), von denen durchschnittlich 40 pro Jahr erschienen, finden sich bezeichnenderweise nur 49 lateinische Titel (4,8%), allerdings auch nur 13 spanische. Der Schwerpunkt der Casa della Fenice lag mit 39% klar auf der Literatur überwiegend zeitgenössischer Autoren, vgl. Quondam 1977; Nuovo/Coppens 2005. Des Weiteren war Gabriele Giolito einer der fünf Delegierten der venezianischen Buchgilde, vgl. Brown 1891, 87.

80 So widmen sich Pallotta 1991; Ders. 1992; Ders. 1994; Richer-Rossi 2000; Scrivano 2001; Pardo Tomás 1991 einzelnen in Venedig produzierten spanischen Titeln und/oder Übersetzungen.

81 Es ist davon auszugehen, dass Meregalli diese Tabelle, deren Werte, wie er selbst betont, überschlägig und nicht statistisch erhoben wurden, auf Basis der fünfbändigen Bibliografie von Toda y Güell (1927–1931) angefertigt hat (ein Indiz findet sich zumindest in Meregalli 1971, 175).

82 Venedig ist zwar auch im Seicento die produktivste Stadt Italiens, ihr absolutes Monopol büßt sie jedoch ein, vgl. Santoro 2008, 243f.

83 Pallotta kann damit nur norditalienische Höfe meinen, wie z.B. den Hof zu Urbino, von dem Baldassare Castiglione mit seinem Dialogtraktat Libro del Cortegiano (1528, Florenz) ein Direktzeugnis liefert (Pallota 1994): Hier werden u.a. die Fragen diskutiert, wie der französische und spanische – auch sprachliche Einfluss – den Höfling tangieren sollten bzw. durften (vgl. Burke 1998, 34–37); Castiglione streut dabei selbst unter zahlreichen Bezugnahmen auf Spanien spanische Wörter und Phrasen ein, vgl. Castiglione 1528, Permalink: http://hdl.handle.net/2027/osu.32435075055392 (Zugriff vom 10.11.2014). Zu Autor, Text und Kontext vgl. den Beitrag zu Castiglione auf der Webseite »Viaggi nel testo – classici della letteratura italiana«, URL: http://www.internetculturale.it/opencms/opencms/directories/ViaggiNelTesto/castiglione/index.html und URL: http://www.internetculturale.it/opencms/opencms/directories/ViaggiNelTesto/castiglione/4b.html (Zugriff vom 10.08.2014).

84 Ein prominentes literarisches Beispiel ist die Rezeptionsgeschichte des eben erwähnten Libro del Cortegiano (1528) von Castiglione (vgl. Kap. 3, Anm. 84), das für lange Zeit in Spanien quasi als ›nationaler‹ Klassiker gelesen wurde. Kurz nach Drucklegung bat Castiglione seine Mutter, ihm 70 Exemplare nach Spanien zu schicken. Im Nachlassinventar eines Buchhändlers aus Barcelona waren 24 Exemplare des Buches wohlgemerkt in italienischer Sprache verzeichnet, obwohl das Werk schon 1534 in Barcelona in spanischer Übersetzung (von Juan Boscán) erschienen war, und sogar einige Spanier in Peru besaßen das Buch bzw. ließen es sich nachweislich 1545 und 1582 einschiffen (vgl. Burke 1998, 57f. und 140). Selbst Karl V. bevorzugte es angeblich, »[di] leggere solo tre libri« (Sansovino 1567, 21; zit. nach Burke 1998, 58): die Discorsi von Machiavelli, das Geschichtswerk des Griechen Polybios und eben den Cortegiano.

85 Vgl. Croce 1891; Beccaria 1968, 282–404; Richer-Rossi 2000, 212–215; Cirillo 2005; Gruber 2010; Dies. 2014, 142–185.

86 Hafners These in Bezug auf die literarische Produktion der süditalienischen Idiome, welche »aus ökonomischen Gründen jedoch kaum gedruckt« worden und »entsprechend weniger verbreitet« (Hafner 2009, 108) gewesen seien, muss auf ihre Stichhaltigkeit überprüft werden.

87 Vgl. zu dieser Schwierigkeit Koch 2002.

88 In der rezenteren romanistischen Forschung werden erfreulicherweise theoretisch und empirisch neue Wege beschritten und es findet eine Öffnung gerade der italienischen Sprachgeschichte erstens hin zum Periodisierungsmodell nach Ausbau- und Überdachungsphasen (ausbauprozessuale/polyzentrische Perspektive), beruhend auf dem synchronen Ausbauschema nach Kloss 1978 (vgl. Krefeld 1988) statt: Eufe und Soares da Silva setzen das Konzept des sprachlichen Ausbaus um, indem sie ein diachrones Gebrauchsprofil des Venezianischen (bis 1797) bzw. des Sizilianischen (im Cinque-Seicento) erstellen (vgl. Eufe 2006; Soares da Silva 2009; Ders. 2015); zweitens zur Quellenvielfalt bzw. Peripherisierung der Normdiskussionen (metasprachliche und korpuserweiterte Perspektive), vgl. Weidenbusch 1999; Maaß 2002; Polzin-Haumann 2003; Ellena 2011; an anglo-amerikanischen Beiträgen zu nennen sind Sanson 2007; Dies. 2011 und Haller 1999; Ders. 2011; drittens zur Kommunikationsgeschichte als Geschichte der Diskurstraditionen und ihrem Wandel (diskurstraditionelle Perspektive), vgl. Koch 1997; Ders. 2003; Oesterreicher 1997; Wilhelm 1996; Ders. 2003; Ders. 2006; viertens zum Kommunikationsraum (raumbasierte Perspektive), vgl. Oesterreicher 2004; Ders. 2007; Krefeld 2002; Ders. 2004; Ders. 2013; Hafner/Oesterreicher 2011; Hafner 2009; Wilhelm 2007; Ders. 2013; Schwägerl-Melchior 2014; Barbarić im Druck.