5. Analyse des Gesamtkorpus: sprachliche, geografische und diskurstraditionelle Distribution

Die sprachliche Distribution der identifizierten und inventarisierten 3.018 Druckwerke des Korpus manifestiert sich wie folgt:

Tabelle 5: Korpusauswertung hinsichtlich sprachlicher Distribution.

Tabelle 5: Korpusauswertung hinsichtlich sprachlicher Distribution.

Darüber hinaus wurden circa 200 weitere Editionen repertorisiert; diese bestehen aus:

–   zwei-, drei- oder mehrsprachiger Kombination (Spanisch-Latein; Spanisch-Hebräisch; Katalanisch-Spanisch; Katalanisch-Latein; Sardisch-Spanisch; Spanisch-Latein-Italienisch; Spanisch-Französisch-Italienisch; u.a.)

–   sowie Übersetzungen und Weiterübersetzungen aus und in diverse(n) Sprachen (Katalanisch > Spanisch; Spanisch > Französisch; Hebräisch > Spanisch; Latein > Italienisch > Spanisch; Französisch > Portugiesisch > Italienisch; Portugiesisch > Spanisch > Italienisch)

Mehr als die Hälfte der gut 900 Autoren dieser Druckwerke, genauer 530, ist nur mit einem einzigen Titel, 120 mit zwei Titeln und die restlichen mit drei oder mehr Titeln vertreten; Spitzenreiter der übersetzten Autoren ist, wie bereits erwähnt, Luis de Granada, gefolgt von Antonio Guevara und Pedro Mexía, Diego Estella, Juan Eusebio Nieremberg und schließlich Alfonso de Ulloa, der sowohl als Übersetzer als auch als Autor fungiert.

Die spanischen Druckwerke aus dem Cinquecento sind auf folgende 15 Druckorte in Italien verteilt:

Abbildung 9: Geografische Distribution der spanischen cinquecentine des Korpus (1501–1600).1

Abbildung 9: Geografische Distribution der spanischen cinquecentine des Korpus (1501–1600).1

Die Zahlen spiegeln Venedigs führende Rolle als Druckkapitale spanischer Bücher wider. Rom folgt an zweiter Stelle – und demonstriert auch in der spanischen Buchproduktion seine Stellung als zweites Druckzentrum Italiens im 16. Jahrhundert und zudem die enge Verbindung nach Spanien, insbesondere über die Kirche und den päpstlichen Hof (vgl. Kap. 2.1.1). Der dritte bis fünfte Rang wird erwartungsgemäß von Druckorten aus spanischen Territorien eingenommen, jedoch mag die jeweilige Platzierung überraschen: Auf dem dritten Platz steht Mailand und nicht Neapel als Kapitale des Vizekönigreichs und einziges Druckzentrum des Mezzogiorno. Mit 19 spanischen cinquecentine ist Neapel nur viertplatziert und damit fast gleichauf wie Cagliari, obwohl auf Sardinien erst im Jahr 1566 der Buchdruck Einzug hält (vgl. Kap. 6.1.3). Sizilien ist erstaunlicherweise mit keinem spanischen Druck im Cinquecento vertreten (vgl. Kap. 6.2.3). In Ferrara erscheinen judenspanische Drucke bzw. Übersetzungen ins Judenspanische, u.a. die beiden Erstdrucke der Biblia en lengua española traduzida palabra por palabra dela verdad hebrayca (Anonym 1553a, Anonym 1553b, bei Atias/Olschki). Die 12 restlichen Orte verteilen sich allesamt in Norditalien; die aus den dortigen Pressen stammenden spanischen Drucke sind Ehrgaben an spanische Herrscher wie zum Beispiel das Lirbo [sic] de caualleria, entitulado El cauallero resplendor Emprimido en Vercé (Molignani 1562), das »Don Emanuel Philiperto, Duque de Saboya, y Rey de Chiple« gewidmet ist und »en la emprenta de su alteza« in Vercelli gedruckt wurde oder Dokumentationen historischer Ereignisse wie das Gedicht in sechs Gesängen Pasada del sereniss. s. don Vincenzo Gonzaga y Austria duq de Mantua, y Monferato, por el estado de Milan, para yr à tomar el poseso del su estado de Monferato (Balbi 1586, Mantua).

Im 17. Jahrhundert lassen sich aus dem Korpus 32 Druckorte filtern, in denen spanische Druckwerke produziert wurden; nun kommen auch kleinere Druckorte wie Viterbo und Pozzuoli aus dem Süden hinzu, die sich mit einer Art Nomadentum von Druckern, bedingt durch die strenge Pressekontrolle in Neapel, erklären lassen. Auch auf Sizilien beginnt die typografische Tätigkeit im spanischen Sektor. Venedig wird im Vergleich zum vorherigen Jahrhundert auf den siebten Platz verdrängt und verliert seine Monopolstellung; die dominierende Rolle nimmt nun mit einem eindeutigen Vorsprung Neapel ein, gefolgt von Rom, Cagliari und Mailand. An fünfter und sechster Stelle stehen Palermo und Sassari – damit spiegeln die erhobenen Korpusdaten im 17. Jahrhundert die Einflusssphäre der spanischen Territorien bzw. Kommunikationsräume auch in der Buchproduktion wider.

Abbildung 10: Geografische Distribution der spanischen secentine des Korpus (1601–1700).

Abbildung 10: Geografische Distribution der spanischen secentine des Korpus (1601–1700).

Die geografische Verteilung der spanischen Druckwerke während der beiden spanischen Jahrhunderte zeigt sich wie folgt:

Abbildung 11: Geografische Verteilung der spanischen Druckwerke des Korpus (1501–1700); Datenset 1: TISIT16–17, [21.04.2015], DOI: http://dx.doi.org/10.7910/DVN/YIVKM9 (Zugriff vom 23.04.2015).

Abbildung 11: Geografische Verteilung der spanischen Druckwerke des Korpus (1501–1700); Datenset 1: TISIT16–17, [21.04.2015], DOI: http://dx.doi.org/10.7910/DVN/YIVKM9 (Zugriff vom 23.04.2015).

Neapel steht an der Spitze mit knapp 250 spanischen Drucken, die vornehmlich aus der religiösen Diskursdomäne stammen, ähnlich wie das zweitplatzierte Rom, wo ebenfalls, wie zu erwarten, religiöse und theologische Titel in spanischer Sprache den Markt dominieren. Dieselbe Feststellung trifft auf die drittplatzierte Stadt Cagliari zu. In Mailand und Venedig (4. und 5. Rang) sind hingegen literarische Titel in der Überzahl (vgl. Kap. 6.5.2). Zu den diskurstraditionellen Verteilungen der Drucke aus Sardinien, Sizilien, Mailand und Neapel wird in den Einzelkapiteln Stellung genommen; auf diejenigen der anderen Druckorte kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.

Aufschlussreich sind vielmehr die Verteilungen der Diskursdomänen der zweisprachigen italienisch-spanischen Drucke sowie der Übersetzungen. Aus der folgenden statistischen Übersicht resultiert eine Dominanz der technisch-pragmatischen, gedruckten Schriftlichkeit: 44 Titel entstammen der technischen oder wissenschaftlichen (Traktat-)Literatur; bei 26 Titeln handelt es sich um administrativ-juristische Drucke, deren Hauptteil aus öffentlichen Bekanntmachungen wie Pragmatiken oder so genannten gride besteht. An dritter Stelle steht schöngeistige Literatur und Dichtung, die zusammen mit historischen Werken 22 Editionen ergibt. Nur vier religiöse Titel, die textinterne Zweisprachigkeit aufweisen, sind im Korpus enthalten – die meisten spanischen Bücher, insbesondere die des Dominikanermönchs Luis de Granada, des im Korpus mit über 300 Titeln meistvertretenen (übersetzten) Autors, wurden entweder in Originalsprache oder in italienischer Übersetzung veröffentlicht; eine zweisprachige Praxis war in dieser Domäne offensichtlich bis auf wenige Ausnahmen unüblich.

Abbildung 12: Diskursdomänenspezifische Distribution der italienisch-spanischen Druckwerke des Korpus (1501–1700); Datenset 2: TISIT16–17, [21.04.2015], DOI: http://dx.doi.org/10.7910/DVN/YIVKM9 (Zugriff vom 23.04.2015).

Abbildung 12: Diskursdomänenspezifische Distribution der italienisch-spanischen Druckwerke des Korpus (1501–1700); Datenset 2: TISIT16–17, [21.04.2015], DOI: http://dx.doi.org/10.7910/DVN/YIVKM9 (Zugriff vom 23.04.2015).

Der Status der gerade erwähnten Übersetzungen aus der religiösen Diskursdomäne wird beim Betrachten der nachfolgenden Statistik überdeutlich: Die religiösen Titel nehmen zusammen mit ebenfalls ›internationalen‹ literarischen und geschichtlichen Editionen beinahe den gesamten Sektor der Übersetzungsproduktion ein, der bezeichnenderweise von Venedig aus dirigiert wird.

Abbildung 13: Diskursdomänenspezifische Distribution der Übersetzungen (vom Spanischen ins Italienische) des Korpus (1501–1700); Datenset 3: TISIT16–17, [21.04.2015], DOI: http://dx.doi.org/10.7910/DVN/YIVKM9 (Zugriff vom 23.04.2015).

Abbildung 13: Diskursdomänenspezifische Distribution der Übersetzungen (vom Spanischen ins Italienische) des Korpus (1501–1700); Datenset 3: TISIT16–17, [21.04.2015], DOI: http://dx.doi.org/10.7910/DVN/YIVKM9 (Zugriff vom 23.04.2015).

Abbildung 14: Diskursdomänenspezifische Distribution der Übersetzungen (vom Italienischen ins Spanische) des Korpus (1501–1700); Datenset 4: TISIT16–17, [21.04.2015], DOI: http://dx.doi.org/10.7910/DVN/YIVKM9 (Zugriff vom 23.04.2015).

Abbildung 14: Diskursdomänenspezifische Distribution der Übersetzungen (vom Italienischen ins Spanische) des Korpus (1501–1700); Datenset 4: TISIT16–17, [21.04.2015], DOI: http://dx.doi.org/10.7910/DVN/YIVKM9 (Zugriff vom 23.04.2015).

Betrachtet man die Druckwerke mit der umgekehrten Übersetzungsrichtung (vom Italienischen ins Spanische) näher, so sind im Vergleich zum einen weitaus weniger Druckwerke zu verzeichnen, zum anderen gestaltet sich auch die Verteilung nach Diskursuniversen anders, wenn auch nicht mit erheblicher Abweichung: So wurden bevorzugt italienische (religiöse) Literatur sowie geschichtliche Werke ins Spanische übertragen – ein Paradebeispiel stellt die Übersetzung des Orlando Furioso von Jeronimo Urrea (Ariosto 1553) dar (vgl. Tab. 2 und Kap. 3, Anm. 125 sowie Kap. 6.5, Anm. 6; Abb. 56) selbsterklärend ist, dass übersetzte Spezialliteratur aus Administration/Recht und Technik demgegenüber nur einen kleinen Adressatenkreis erreicht und daher viel seltener den Weg in den Druck findet.

Mit den Korpusdaten lassen sich noch viele weitere statistische Detailanalysen durchführen (vgl. hierzu auch Kap. 7.2), die stets im Zusammenhang mit der (Buch-)Geschichte und externen Sprachgeschichte interpretiert werden müssen und an dieser Stelle nicht weiter vorgeführt werden können und sollen – wie im Eingangskapitel erläutert wurde, liegt der Fokus der vorliegenden Arbeit auf der Makro- und Mikroanalyse von vier Teilkorpora, anhand derer im Folgenden vier ausgewählte Kommunikationsräume des spanischen Italien beleuchtet werden sollen: Sardinien, Sizilien, Mailand und Neapel.

1 Das Korpus wurde vor der Onlinestellung des USTC erstellt und differiert infolgedessen von den dortigen Trefferzahlen bzw. Titeln in spanischer Sprache (vgl. auch Abb. 3): Venedig (118), Rom (105), Cagliari (27), Mailand (39), Neapel (19), Turin (14), Ferrara (11), Florenz (6), Bergamo (2), Bologna (2) (USTC 2014, Stand: 22.09.2014).