Materielle Zeugen, digitale Muster: Überzeugungsarbeit in der Architektur der Gegenwart

Autor/innen

Carolin Höfler
Technische Hochschule Köln

Synopse

Wenn im Rahmen von investigativen Recherchen auf öffentlich und digital verfügbare Daten zurückgegriffen wird, spielen Bilder der physischen Tatumgebung häufig eine wesentliche Rolle. Ins Internet gestellte Fotos und Videos von Ereignissen im öffentlichen Raum oder topographische Luftbilder im Vorher-Nachher-Vergleich gelten dabei oft als beste Beglaubigung eines Geschehens. Der technische Charakter und die Georeferenzierung verleihen den Bildern eine so hohe Überzeugungskraft, dass sie als Grundlage für rekonstruierende 3D-Modelle und Simulationen verwendet werden – auch wenn ihre Glaubwürdigkeit in den letzten Jahren durch die Möglichkeit der Bildmanipulation oder der gezielten Fehlinterpretation stark gelitten hat. Anhand von Fallstudien untersucht der Beitrag exemplarische Konfigurationen einer investigativen Architekturproduktion, um aufzuzeigen, welche raumkonstituierenden Verfahren der Evidenzerzeugung entwickelt und eingesetzt werden, welche Authentifizierungsstrategien sie prägen und worin sich ein hegemoniekritischer von einem staatlich-repressiven Bildgebrauch unterscheidet. Damit verbunden ist die Frage nach dem Status der virtuellen Rekonstruktionen im Spannungsfeld von Zeugnis und Beweis, nach ihrem Wert als Erkenntnisquelle und ihrer politischen wie ethischen Dimension. Nicht zuletzt geht es um die paradox anmutende Frage, wie digitale Raumbilder trotz ihrer Konstruiertheit und Manipulierbarkeit eine realitätsbeglaubigende Kraft in der investigativen Arbeit entfalten können. 

Autor/innen-Biografie

Carolin Höfler, Technische Hochschule Köln

Carolin Höfler studierte Kunstgeschichte, Neuere deutsche Literatur und Theaterwissenschaft an den Universitäten Köln, Wien und Berlin (FU) sowie Architektur an der TU Berlin. Sie promovierte 2011 an der Humboldt-Universität zu Berlin bei Horst Bredekamp zum Thema „Form und Zeit. Computerbasiertes Entwerfen in der Architektur“. Seit 2013 ist sie Professorin für Designtheorie und -forschung an der TH Köln und leitet dort die Forschungsstelle „Echtzeitstadt“. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen Kulturtechniken des Entwerfens, architektonische Bildlichkeit, digitale Form, Raum-Zeit-Modelle, Materialsysteme, mediale Durchdringung des öffentlichen Raumes, ephemerer Urbanismus, investigative und dokumentarische Praktiken in Architektur und Design

Downloads

Veröffentlicht

Juni 4, 2024

Zitationsvorschlag

Höfler, C. (2024) “Materielle Zeugen, digitale Muster: Überzeugungsarbeit in der Architektur der Gegenwart”, in Harst, J., Celik, N., and Jendges, R. (eds.) Virtuelle Investigationen: Revisionen des Indizienparadigmas in Literatur und Kunst. Cologne, Germany: USB MONOGRAPHS, pp. 211–238. doi:10.18716/omp.35.c85.